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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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heiratete, gerade weil sie zu der Sorte Frau gehörte, die einen Mann mit Kalbshirn zu verführen versucht - egal, wie schlecht zubereitet -, weil sie es riskierte, ihn abzustoßen, um ihn zu erobern. Wie absolut unlogisch von ihr, und dennoch, wie Recht sie hatte!
    Zu Ehren seines Auftritts als Johannes der Täufer in einer szenischen Lesung von Oscar Wildes Salomé (zu 50 Dollar die Karte) buk ich David Strathairn unsinnig komplizierte Pekannuss-Maisplätzchen, ein Rezept von Martha Stewart. Leider sind Marthas Stewarts Rezepte zwar angemessen kompliziert, aber zum aphrodisierenden Kochen fehlt ihnen doch das gewisse Etwas, vielleicht weil alles an Marthas Rezepten, von der Schriftart bis zum benötigten groben Zucker einschließlich der Hinweise, wo man das alles kaufen kann, so unüberhörbar nach Martha klingt! Im Bett mag sie ja eine Wildkatze sein, aber wenn man einen Mann zu verführen versucht, will man nicht ständig an Martha Stewart denken. Lieber hätte ich etwas aus dem Buch gekocht, aber Julias Essen taugt nicht zum Stalking - da braucht man appetitliche Häppchen, die man auf der Schwelle hinterlegen oder durch einen Platzanweiser hinter die Bühne schicken kann; nichts, was zerbrechen und sonst wie unansehnlich werden kann. Für stalker food ist Martha Stewart genau die Richtige.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand Backen als ehebrecherische Handlung betrachtet - mal abgesehen von ein paar besonders repressiven islamistischen Vereinigungen. Dennoch: Eric, der um meine Neigungen wusste und zusah, wie ich Maismehlteig hauchdünn ausrollte, gehackte Pekannüsse, Zimt und zerlassene Butter darauf verteilte, eine zweite dünne Teigschicht drauflegte und füllte, und so immer weiter und weiter, mit unendlicher Geduld - Eric war wohl ein wenig zumute, als müsse er zuschauen, wie ich mir am Tag vor der Geschäftsreise nach Dallas eine Dose Bikini-Wachs und ein enges rotes Kleid einpacke. Er unternahm nichts, verdrehte nur die Augen und grummelte besorgt-gutmütig, aber er wusste, was ich tat. Wir vereinbarten, uns nach Büroschluss am Theater zu treffen, aber ich ging schon früher hin. Ich machte die letzte Stunde blau und lief in den eisigen Regen hinaus, nicht weil ich Unerlaubtes vorhatte, sondern weil ich nicht wollte, dass Eric Zeuge wurde, wie ich dem Mädchen an der Kasse verlegen den Teller mit den Plätzchen und dem angehängten Liebesbrief zuschob und sie fragte, ob das jemand hinter der Bühne für David Strathairn abgeben könne, ich sei eine Bekannte .
    Doch wie sich herausstellte, war das alles viel Lärm um ziemlich wenig. Das Problem bei Johannes dem Täufer in Salomé ist nämlich, dass es auf der ganzen Welt keine Theaterfigur gibt, die weniger sexy ist. Man sollte meinen, eine Rolle, bei der einem eine wendige Nymphomanin über den Leib kriecht, wäre affengeil, aber Davids Möglichkeiten erschöpften sich in feierlichem Psalmodieren und dem übermäßigen Gebrauch von Haargel. Es war unmenschlich.
    Wir saßen also im Dunkeln und schauten zu, wie David psalmodierte, Al nörgelte und Marisa geschmeidig zuckte, und die unmäßige erotische Energie, die sich durch die Plätzchenbackerei in mir angesammelt hatte, drehte sich im Kreis und wusste nicht wohin. Mein Magen knurrte, weil ich noch nicht zu Abend gegessen hatte, und ich merkte, wie meine Gedanken abschweiften. Sie schweiften insbesondere zu Leber ab.
    Das Folgende dürfte manchen Lesern etwas zu weit gehen, aber ich finde nun einmal, Kalbsleber ist mit Abstand das erregendste Essen, das es gibt. Zu diesem Schluss bin ich erst vor kurzem gekommen, denn wie alle anderen auf diesem Planeten habe ich Leber die meiste Zeit meines Lebens verabscheut. Die Leute hassen Leber, weil man sich ihr unterwerfen muss - so wie wirklich überirdischem Sex. Wissen Sie noch, wie Sie mit neunzehn die Sache wie eine sportliche Übung angingen? Also. Leber ist genau das Gegenteil davon. Bei Leber muss man sich zur Langsamkeit zwingen. Man muss sich all dem überlassen, was daran ein bisschen abstoßend, ein bisschen unheimlich, ein bisschen zu viel ist. Wenn man sie beim Metzger kauft, in der Pfanne brät und langsam isst - nie kann man ihrer barbarischen Fleischlichkeit entkommen. Leber zwingt einen, Geschmacksknospen in Betrieb zu nehmen, von deren Existenz man nichts geahnt hat, und es fällt schwer, sich dem zu öffnen. Wie schade, dachte ich, dass Eric mir gerade an dem Abend Leber serviert hatte, als ich zu müde war, um sie richtig zu

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