Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
schätzen. Was für eine Verschwendung!
Als die Lesung - endlich! - vorüber war, standen die Zuschauer auf, streckten sich ein wenig benommen und begannen aus dem Theater zu strömen; nur ich blieb sitzen. Eric stand vor mir, spürbar verärgert über die freudige Erregung, die wie in Wellen von mir ausging. »Du willst wahrscheinlich warten, bis er rauskommt?«
Aber ich hörte ihm gar nicht zu. »Was meinst du, gibt es hier in der Gegend einen anständigen Lebensmittelladen?«
»Was?«
»Ich hab grad an die Leber gedacht, die du mir letzte Woche gemacht hast. Die war wirklich gut.«
»Ja?« Eric wusste nicht, worauf ich hinauswollte, aber es reichte, dass ich gesagt hatte, mir hätte geschmeckt, was er gekocht hatte. Da war er nämlich empfindlich. Er strahlte. »Bestimmt kriegen wir noch irgendwo Leber, wenn wir uns beeilen. Es ist noch ziemlich früh.«
Also verließen wir das Theater und traten in eine nun wärmere Nacht hinaus. Der kalte Regen hatte aufgehört, und plötzlich lag etwas Laues in der Luft, als ob der Frühling doch noch irgendwann käme. Wir gingen ziemlich rasch Richtung U-Bahn. Als wir einen Mann in einer tannengrünen Polartec-Jacke überholten, wandte ich mich zu ihm um. Ich war zu versessen auf Leber, um noch schüchtern zu sein. »Entschuldigen Sie - wissen Sie -«
Es war David Strathairn. Er hielt ein Pekannussplätzchen in der einen behandschuhten Hand, und in seinen Bartstoppeln hingen Krümel. Er hatte einen abwesenden, versonnenen Blick. »Ja, bitte?«
»Oh, Mr. Strathairn, entschuldigen Sie. Wir haben gerade die Vorstellung gesehen. Es war - toll.«
Er wedelte abwehrend mit dem Plätzchen durch die Luft, dann biss er wieder ab. »Oh, danke.« Er schaute mich an, und auf seinem Gesicht erwachte so etwas wie Neugier. »Sie wollten etwas fragen?«
»Ach, nur, ob Sie hier in der Nähe einen Lebensmittelladen kennen.«
»Warten Sie mal...« Er schaute die Straße entlang, die Hand mit dem Plätzchen ausgestreckt, als zeige er auf etwas. Doch er wirkte zerstreut und schaute mich immer wieder mit forschendem Blick an. »Zwei Querstraßen weiter und eine rüber, glaube ich.«
»Vielen Dank. Und herzlichen Glückwunsch!«
Ich nahm Erics Hand, und wir liefen weiter. »Du hättest ihm sagen sollen, wer du bist. Er hat dich eindeutig erkannt.«
Ich küsste ihn. »Keine Zeit. Ich brauche Leber für meinen Geburtstag.«
Ein sehr gutes und einfaches Rezept für Kalbsleber ist Foie de Veau à la Moutarde . Man zieht einfach ein paar dicke Scheiben Leber durch Mehl und brät sie kurz in Butter und Öl an, etwa eine Minute auf jeder Seite. Die angebratenen Scheiben beiseite stellen, aus drei Esslöffeln Senf, klein gehackten Schalotten, Petersilie, Knoblauch, Pfeffer und dem Bratfett eine cremige Paste rühren, auf die Leberscheiben streichen und diese dann in frischem Paniermehl wenden. Wenn Sie einen Mann haben, der verrückt nach Ihnen ist, können Sie ihn vielleicht dazu bewegen, in der Küchenmaschine frische Semmelbrösel zu machen. Die panierte Leber legen Sie in eine Auflaufform, träufeln zerlassene Butter darüber und schieben sie für eine Minute pro Seite unter den Grill. Das ist alles. Die knusprige, senfdurchzogene Kruste bringt die ölig-feine Üppigkeit der Leber noch besser zur Geltung. Es ist wie die seidenweiche Seele eines Steaks. Man muss die Augen schließen und das Fleisch auf der Zunge zergehen lassen, es muss in die Blutkörperchen eindringen.
Eine solche Leber aß ich am letzten Abend vor meinem dreißigsten Geburtstag, und es war gut, dieses Jahrzehnt auf diese Weise zu beenden.
Jemand, der keinen Schimmer davon hat, wie sexy kochen ist, schrieb folgende Zeilen über die englische Fernsehköchin Nigella Lawson: »Sex und Häuslichkeit. Diese grandiose Paarung, eine Erfindung Nigellas, ist Welten entfernt von den unschlüssigen, piepsigen Ermahnungen einer Julia Child.«
Ich las diesen Satz, den ich aus mindestens zwölf verschiedenen Gründen blöd und beleidigend fand, in einem Artikel in Vanity Fair . Da Vanity Fair seine Autoren vorn im Heft mit Fotos vorstellt, wusste ich, dass der Artikel von einer Frau mit einem sehnigen Hals und zu vielen Kosmetikbehandlungen geschrieben worden war, und allein auf Grund dieses einen Satzes würde ich mein gutes Geld verwetten, dass sie ein Bœuf Bourguignon nicht einmal dann erkennen würde, wenn es ihr auf den Kopf fiele.
Es war der Morgen meines 30. Geburtstags. Ich saß auf dem Klo, hatte mir meine
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