Juliet, Naked
die Annie in London gewesen war, ganze Arbeit geleistet. Am Tag vor ihrer Abreise waren sie
zusammen in Terry Jacksons Haus gewesen, um in seiner Gooleness-Sammlung zu stöbern, und hatten am Ende das meiste davon mitgenommen.
Terrys Frau, die während all der Jahre auf ein Zimmer hatte verzichten müssen, weil dort alte Busfahrscheine und Zeitungen
aufbewahrt wurden, bestand darauf, es sei als Schenkung zu betrachten, und nicht als Leihgabe. Da Terry keinerlei finanzielle
Mittel für die Schau hatte bereitstellen können, mussten sie nehmen, was da war, um seinen Krempel zu präsentieren – alte
Wechselrahmen, unbenutzte, eingestaubte Kästen. Vieles wurde in Müllsäcken aufbewahrt, eine Konservierungsmethode, für die
sie aus dem Museumsverband geflogen wären, wäre es jemals ruchbar geworden.
»Igitt«, sagte Jackson, als sie ihm das Auge zeigte.
Annie bewunderte seine Entschlossenheit, die richtigen Worte zu finden. Das Auge starrte einen nicht richtig an, nicht so,
wie Annie und Ros gehofft hatten, hauptsächlich, weil es unglücklicherweise nicht mehr wie ein Auge aussah. Sie hatten es
in der Ausstellung belassen, weil es mehr über die Menschen in Goolenessaussagte als über Haie, obwohl sie den Menschen von Gooleness das lieber nicht erklären wollten.
Tucker gefielen immerhin Terrys Stones-Poster, und er liebte das Foto der vier Freunde am Meer.
»Warum werde ich dabei so traurig?«, fragte er. »Obwohl sie glücklich sind? Ich meine, sicher, sie sind jetzt alle alt oder
tot. Aber ich glaube, es ist mehr als das.«
»Ich hatte genau das gleiche Gefühl. Es kommt daher, dass ihre Freizeit so kostbar war, glaube ich. Wir haben im Vergleich
so viel davon und wir können so viel mehr damit anfangen. Als ich es zum ersten Mal sah, war ich gerade von einer dreiwöchigen
Tour durch die USA zurückgekommen und …« Sie brach ab.
»Was?«
»Oh«, sagte sie, »davon weißt du ja auch nichts.«
»Wovon?«
»Von meinen Ferien in den Staaten.«
»Nein«, sagte Tucker. »Aber andererseits kennen wir uns ja auch noch nicht lange. Es gibt wahrscheinlich einige Urlaube, von
denen ich nichts weiß.«
»Ja, aber dieser Bewusste hätte während unserer Beichte zur Sprache kommen müssen.«
»Warum?«
»Wir waren in Bozeman, Montana. Und in Memphis, an der Stelle, wo mal ein Studio gewesen war. Und auf dem Klo im Pits Club
in Minneapolis …«
»Scheiße, Annie.«
»Es tut mir leid.«
»Warum bist du mitgefahren?«
»Ich dachte, auf diese Weise würde ich Amerika kennenlernen. Es hat mir Spaß gemacht.«
»Ihr seid in San Francisco gewesen und habt vor Julie Beattys Haus gestanden?«
»Äh, nein. Nicht schuldig. Das hab ich ihmüberlassen. Ich war in San Francisco, um über die Golden Gate Bridge zu spazieren und shoppen zu gehen.«
»Dieser Duncan … das ist also ein echter Stalker?«
»Sieht so aus.«
Einen Moment spürte Annie einen kleinen Stich von Neid. Es war nicht so, dass sie sich je direkt gewünscht hätte, Duncan würde
ihr nachstellen. Er sollte sich nicht hinter einer Hecke oder einem Regal im Supermarkt verstecken, wenn sie gerade einkaufen
ging. Aber sie hätte nichts dagegen gehabt, wenn er denselben Appetit, den er für Tucker an den Tag legte, auf sie gehabt
hätte. Ihr war gerade erst klar geworden, dass der Mann, mit dem sie redete, ein sehr viel ernsterer Rivale für sie gewesen
war, als es je eine andere Frau hätte sein können.
Duncan goss sich Orangensaft ein und setzte sich zu Gina an den Küchentisch.
»Gina.«
»Ja, mein Schatz?« Sie trank Kaffee und las die Beilage des Guardian .
»Was glaubst du, wie stehen die Chancen dafür, dass Tucker Crowe in Gooleness ist?«
Sie sah ihn an.
» Der Tucker Crowe?«
»Ja.«
»In diesem Gooleness?«
»Ja.«
»Ich würde sagen, die Chancen sind verdammt klein. Warum? Glaubst du, du hast ihn gerade gesehen?«
»Annie behauptet, das hätte ich.«
»Annie behauptet das?«
»Ja.«
»Tja, ohne zu wissen, warum sie es gesagt hat, würde ich sagen, sie zieht dich auf.«
»Das glaube ich auch.«
»Warum hat sie so etwas behauptet? Es kommt mir doch irgendwie sonderbar vor. Und ziemlich grausam, angesichts deiner … Interessen.«
»Ich war am Strand joggen, und sie war da mit einem ansehnlichen, älteren Mann und einem kleinen Jungen. Und als ich dann
stehen blieb, um mich dem Mann vorzustellen, hat er gesagt, er wäre Tucker Crowe.«
»Das muss ja ein ziemlicher Schock für dich gewesen
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