Juliet, Naked
von allen Seiten ansah und nach Spuren von Humor suchte.
»Das ist voll unlustig«, sagte Jackson.
»Stimmt«, sagte Tucker.
»Warum habt ihr dann gedacht, es wär lustig?« Jackson richtete die Frage an Annie als der Urheberin des unverständlichen Witzes.
»Dachte ich gar nicht, Schatz«, sagte Annie.
»Hat Dad doch gerade gesagt.«
»Nein, er hat gesagt … Verstehst du, ich weiß, wer dein Dad ist. Aber dieser Mann weiß es nicht. Der Mann weiß, wer Tucker
Crowe ist, aber er weiß nicht, dass dein Vater Tucker Crowe ist.«
»Wer denkt er denn, wer Dad ist? Fucker?«
Annie hätte es besser wissen sollen, als bei dieser Obszönität aus dem Mund eines Sechsjährigen zu lachen, aber sie platzte
trotzdem heraus. Tucker konnte ihr den Impuls nicht verdenken. Es war die Kombination der Obszönität mit der Ernsthaftigkeit
des Jungen, der sich aufrichtig bemühte zu verstehen, was gerade vorgegangen war.
»Ja!«, sagte Tucker. »Für genau den hält er mich.«
»Eigentlich gibt es noch eine weitere Komplikation«, sagte Annie. »Ich weiß, der Vorhang für peinliche Geständnisse hat sich
schon wieder geschlossen, aber …« Sie holte tief Atem. »Er denkt außerdem, dass du jemand bist, mit dem ich … zusammen bin.«
»Wie kommt er denn darauf?«
»Er hat mich nach dem Foto am Kühlschrank gefragt, und die Wahrheit wollte ich ihm nicht sagen, darum …«
Zumindest verstand Tucker jetzt den demonstrativ großmütig gemeinten Handschlag.
»Also, da hast du’s«, sagte Tucker. »Der Mann denkt, ich bin Annies Freund. Und er denkt, Fucker ist Tucker.«
»Ich hatte recht«, sagte Jackson. »Es ist nicht so lustig.«
»Nein.«
»Cool«, sagte Jackson. »Ich mag es nämlich nicht, wenn Witze nur für die anderen lustig sind.«
»Na, jedenfalls«, sagte Tucker. »Alles in allem kann man sagen, dass ich im Moment alles andere als ich selbst bin.«
»Haargenau.«
»Muss ich mir jetzt den Stress machen, es zu beweisen?«
»Das Stressige daran ist, dass er mehr über Tucker Crowe weiß als du.«
»Ja, aber ich hab alle nötigen Papiere!«
Etwa fünfzehn Minuten später rief Duncan auf ihrem Handy an. Sie stand mit Tucker und Jackson vor dem Museum und fischte in
ihrer Tasche nach den Schlüsseln: Die schönen Seiten von Gooleness hatten sie bereits gesehen, also wollte sie ihren Gästen
deutlich früher als vorgesehen Teile eines toten Hais zeigen.
»Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast«, sagte Duncan.
»Tatsächlich habe ich gar nichts getan«, sagte Annie.
»Wenn du der ganzen Stadt so ein traurigesSpektakel bieten willst, mit einem Kerl, der alt genug ist, dein Vater zu sein, ist das deine Sache. Aber diese Tucker-Nummer
… Was sollte das? Was hast du davon?«
»Ich stehe zufällig gerade neben ihm«, sagte Annie. »Das ist also ein bisschen peinlich.«
Tucker versuchte mitzuhören.
»Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du ihn in deine kindischen Spielchen reinziehst.«
»Das ist kein Spielchen«, sagte Annie. »Das war Tucker Crowe. Ist Tucker Crowe. Du kannst ihm jede Frage selbst stellen, wenn
du willst.«
»Warum machst du das?«, fragte Duncan.
»Ich mache gar nichts.«
»Ich hab dir vor ein paar Wochen ein Bild von Tucker Crowe geschickt. Du weißt, wie er aussieht. Er sieht nicht aus wie ein
pensionierter Rechnungsprüfer.«
»Das war nicht er. Das war sein Nachbar John. Auch bekannt als Fake Tucker, beziehungsweise Fucker, und zwar durch ein Missverständnis,
das Leute wie du im Internet gestreut haben.«
»Oh, du lieber Himmel. Wie bist du überhaupt an diesen ›Tucker Crowe‹ geraten?«
»Er hat mir eine E-Mail auf meine Besprechung von Juliet, Naked geschickt.«
»Eine E-Mail geschickt.«
»Ja.«
»Du schreibst ein einziges Mal etwas und kriegst eine E-Mail von Tucker Crowe.«
»Hör zu, Duncan, Tucker und Jackson stehen direkt hier neben mir, und es ist kalt und …«
»Jackson.«
»Tuckers Sohn.«
»Oh, jetzt hat er einen Sohn, ja? Wo ist der plötzlich hergekommen?«
»Du weißt, wie Babys gemacht werden, Duncan. Und außerdem hast du ein Bild von Jackson an meinem Kühlschrank gesehen.«
»Ich hab ein Bild von deinem pensionierten Rechnungsprüfer an deinem Kühlschrank gesehen. Das Argument beißt sich doch in
den Schwanz.«
»Es ist kein Argument. Hör mal, ich ruf dich später zurück. Du kannst zum Tee kommen, wenn du möchtest. Tschüss.«
Und dann drückte sie ihn weg.
Ros hatte während der paar Tage,
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