einfach die Blätter und geben Sie sie ihm zu trinken.«
»Und heute nichts für mich? Keinen Tee, keine Sprossen, kein Obst, das man in Milch taucht?«
»Nun, wir haben ja bei Ihnen schon alles ausprobiert. Daher muss es an ihm liegen.«
Genau genommen hatte Moira recht: Es lag an ihm. Er benutzte Kondome.
»Ich versuche es heute Abend.«
»Wenn Sie es heute Abend versuchen, müssen Sie es durchziehen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Runter damit und ab ins
Bett.«
»Dann versuch ich’s besser am Samstagabend.«
Großer Gott, warum um alles in der Welt verriet sie dieser Frau die Termine ihres Sexkalenders?
»Oh. Er ist ein Samstagabendmann, was?«
»Ich muss wieder an meine Arbeit.«
»Nichts, wofür man sich genieren müsste.«
»Ich geniere mich nicht.«
Aber sie tat es natürlich doch. Sie schämte sich der dadurch implizierten Monotonie, und sie schämte sich, dass sie es nicht
schaffte, dieser aufdringlichen Spinatwachtel sagen zu können, wohin sie sich verpissen sollte.
»Oh. Alan. Hallo. Sie bekommen wir hier ja nicht oft zu Gesicht.«
Moiras Worte galten einem Mann in den Siebzigern, der über seinem Mantel noch einen Regenmantel trug und dazu zwei oder gar
drei Schals. Er umklammerte ein Marmeladenglas, das etwas enthielt, das wie eine vergammelte Zwiebel aussah, die in trübem
Essig schwamm.
»Jemand hat mir erzählt, Sie interessierten sich für den Hai.«
»Tun wir«, sagt Moira entschieden. »Sehr sogar.«
»Ich hab hier sein Auge.«
From. Annie Platt
Subject: Kein Zweifel (jedenfalls kein berechtigter)…
… du bist es. Ich habe genug Romane gelesen, um zu wissen, dass es die Details sind, die eine Geschichte glaubwürdig machen.
Außerdem hätte auch jeder, der sich die Mühe macht, so viel zu erfinden, eine Antwort verdient. Und wenn du es nicht bist,
ist es mir ehrlich gesagt egal. Ich führe eine E-Mail-Korrespondenz mit einem interessanten und nachdenklichen Mann, der weit
weg wohnt, was kann also schon passieren? (Wahrscheinlich kann man es auch anders betrachten: Dann wärest du ein Spinner und
alle Kinder und Enkelkinder nur das Produkt deiner kranken Fantasie. Sollte sich herausstellen, dass du ein Spinner bist,
den ich womöglich PERSÖNLICH KENNE, dann schwöre ich bei Gott, ich mach dich kalt. Aber bitte ignoriere das, wenn du es nicht
bist. Ich fahre in der Annahme fort, dass du es wirklich bist.)
Wie du vielleicht bemerkt hast, kenne ich Menschen, die sehr große Stücke auf dein Werk halten und viel darüber nachdenken.
Ich habe auch gelegentlich an dich denken müssen, allerdings bis vor Kurzem noch nicht so häufig. Dein Name tauchte immer
mal wieder während einer Reise auf, die ich kürzlich unternommen habe. Und dein neues Album Juliet, Naked – oder besser gesagt,
die Reaktion darauf seitens einiger überenthusiastischer Fans – hat mich veranlasst, häufiger an dich und an Juliet zu denken
als zuvor. Ich habe auch noch nie so etwas wie diesen Text da geschrieben, aber die beiden Alben haben mir dabei geholfen,
einige Dinge klarer zu sehen, die ich wohl schon immer über Musik und enthusiastische Musikfans gedacht habe, aber nie so
auf den Punkt bringen konnte. Natürlich habe ich einige Fragen zu den beiden fehlenden Jahrzehnten, aber du möchtest wahrscheinlich
nicht gerne interviewt werden.
Ich bin sicher, wenn man zwei x-beliebige Fremde in einen Raum sperrt und sich über ihr Leben austauschen lässt, kristallisieren
sich bestimmte Grundmuster, Themen und Gegensätze heraus, bis der Eindruck entsteht, dass sie keineswegs zufällig ausgesucht
wurden. Ein Beispiel: Du hast zu viele Kinder, die du gar nicht richtig kennst, und das macht dir Kummer. Ich habe gar keine
Kinder und glaube nicht, dass ich noch welche bekommen werde, und das macht mir wiederum Kummer, mehr als ich mir noch vor
drei oder vier Jahren hätte vorstellen können. Und darum erscheinen mir die Jahre, die ich mit dem Mann verbracht habe, mit
dem ich keine Kinder haben werde, wie dir die Jahre, in denen du nur getrunken und keine Musik gemacht hast. Die Zeit können
wir beide nicht zurückdrehen. Aber es ist noch nicht zu spät, was einem die Sache noch schwerer macht. Denkst du das auch
manchmal? Ich hoffe es.
Ich schreibe dir von meinem Büro aus, das sich in einem kleinen Heimatmuseum in einem kleinem Badeort in Nordengland befindet.
Eigentlich müsste ich gerade eine Ausstellung über den Sommer 1964 in