Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
Vom Netzwerk:
sie, wie man von
     hier nach dort kam, und sie war auch diejenige, die wusste, wie man wieder zurückfand. Er hätte seine geistige Energie lieber
     ganz auf Julie, den Menschen, und Juliet , das Album, konzentriert; er hatte vorgehabt, es sich gleich zweimal hintereinander anzuhören: einmal in der Form, in der
     es veröffentlicht worden war, das zweite Mal in der Reihenfolge der Songs, die Tucker Crowe nach den Angaben des Tontechnikers,
     der die Aufnahmen geleitet hatte, ursprünglich im Sinn gehabt hatte. Aber das würde nun nicht gehen, denn er benötigte seine
     ganze Konzentration für den öffentlichen Nahverkehr. So wie er es sah, musste er in der Powell St. einsteigen und mit der
     roten Linie bis North Berkeley fahren. Schien ja ganz einfach zu sein, aber das war es natürlich nicht, denn als er auf dem
     Bahnsteig ankam, war es ihm unmöglich, zu erkennen, ob eine Bahn zur roten Linie gehörte oder nicht. Fragen konnte er niemanden.
     Jemanden zu fragen, hätte den Eindruck erweckt, er sei kein Einheimischer; das hätte ihm in Rom, in Paris oder selbst in London
     nichts ausgemacht, aber hier schon, hier an dem Schauplatz so vieler Dinge, die ihm wichtig waren. Und weil er nicht fragen
     konnte, landete er schließlich in einer Bahn der gelben Linie, was er allerdings erst merkte, als er in Rockbridge war, wasbedeutete, dass er zum Umsteigen bis zur 19th St Ecke Oakland zurückfahren musste. Was war los mit Annie? Er wusste, dass
     sie kein ganz so leidenschaftlicher Tucker-Crowe-Fan war wie er, aber er hatte gedacht, im Laufe der letzten Jahre hätte es
     sie auch gepackt, so richtig. Ein paarmal hatte er sie beim Nachhausekommen dabei angetroffen, wie sie sich ›You And Your
     Perfect Life‹ anhörte, allerdings war er nicht in der Lage gewesen, sie für die berüchtigte, aber tausendmal bessere Bootleg-Version
     aus dem Bottom Line zu gewinnen, bei der Tucker am Schluss des Solos seine Gitarre zertrümmerte. (Der Sound war zugegebenermaßen
     etwas versuppt, und irgendein Besoffener grölte während der letzten Strophe die ganze Zeit »Rock ’n’ Roll!« ins Mikro des
     Bootleggers, aber wenn sie Wut und Schmerz wollte, dann war diese Version genau das Richtige.) Er hatte versucht, sich einzureden,
     dass ihre Entscheidung, nicht mitzukommen, völlig verständlich war, aber in Wirklichkeit war er doch gekränkt. Gekränkt und
     – zumindest zeitweise – orientierungslos.
    Die Haltestelle North Berkeley zu erreichen kam ihm an sich schon als reife Leistung vor, sodass er sich zur Belohnung den
     Luxus gönnte, nach der Edith Street zu fragen. Es war in Ordnung, den Weg zu irgendeiner Wohnstraße nicht zu kennen. Selbst
     Einheimische konnten nicht alles wissen. Leider hatte er kaum den Mund aufgetan, da erzählte ihm die Frau, die er angesprochen
     hatte, prompt, dass sie nach der Uni ein Jahr in London Kensington gelebt hatte.
    Er hatte nicht erwartet, dass die Straßen so lang und so hügelig sein würden und die Häuser so weit auseinander lägen. Als
     er das richtige Haus endlich gefunden hatte, war er in Schweiß gebadet und durstig, musste aber gleichzeitig dringend pinkeln.
     Es wäre zweifellos klügergewesen, wenn er irgendwo in der Nähe der BART-Station etwas getrunken hätte und schnell aufs Klo gegangen wäre. Aber er war
     auch früher schon durstig gewesen und hatte dringend aufs Klo gemusst, ohne dass er deswegen ins Haus fremder Leute eingebrochen
     wäre.
     
    Als er vor Hausnummer 1131 in der Edith Street ankam, saß ein junger Typ auf dem Bürgersteig, den Rücken gegen einen Zaun
     gelehnt, der aussah, als könnte er extra dafür errichtet worden sein, ihn daran zu hindern, noch weiter vorzudringen. Der
     Junge war um die zwanzig, hatte lange, fettige Haare und einen fusseligen Goatee. Als er begriff, dass Duncan hergekommen
     war, um sich das Haus anzusehen, stand er auf und klopfte sich den Staub von der Hose.
    »Yo«, sagte er.
    Duncan räusperte sich. Er konnte sich nicht überwinden, auch »Yo« zu sagen, aber bot ein »Hi« statt eines »Guten Tag« an,
     nur um zu zeigen, dass er auch lässig sein konnte.
    »Die sind nicht da«, sagte der Junge. »Ich schätze, die sind an die Ostküste. Die Hamptons oder so eine Scheiße.«
    »Oh. Verstehe. Alles klar.«
    »Kennen Sie die?«
    »Nein, nein. Ich wollte bloß … Na ja, ich bin so ne Art Crowologe. Ich war zufällig in der Nähe und dachte mir, na ja, du
     weißt schon …«
    »Sie sind Engländer?«
    Duncan

Weitere Kostenlose Bücher