Juliregen
weitergereist ist.«
»Das wird ein wenig dauern. Soll ich einem der Kaffeemädchen auftragen, Ihnen eine Tasse zu bringen?«
»Ich wäre Ihnen sehr verbunden.«
Während der Mann eilig sein Kontor verließ, rieb Maruhn sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. Sein Kopf schmerzte und er atmete auf, als ein junges Ding hereinkam und ihm eine Tasse Kaffee, Milch und Zucker brachte. Den Zucker schob er beiseite, goss aber Milch in den Kaffee, bis die Tasse überzulaufen drohte, und schlürfte das Getränk mit Genuss.
Der Angestellte kehrte früher zurück als erwartet. »Sie hatten recht!«, sagte er noch mit der Türklinke in der Hand. »Der angebliche Baron wollte die
Aller
zwar in Southampton verlassen, hat sich dort aber anders entschieden und ist mit dem Schiff nach New York weitergefahren.«
»Danke! Wenigstens kann ich meinem Auftraggeber etwas mitteilen, auch wenn ihm diese Auskunft nicht behagen wird. Der Schmuck, den Klingenfeld an sich gebracht hat, war von beträchtlichem Wert!«
»Es ist bedauerlich, denn Sie haben ihn nur um wenige Tage verpasst. Soll ich nach New York telegrafieren lassen, dass der Mann nicht von Bord gehen darf, sondern wieder nach Bremerhaven zurückgebracht wird?«, fragte der NDL -Mann hilfsbereit.
Maruhns Gedanken rasten. Wenn Klingenfeld zwangsweise nach Deutschland zurückgebracht wurde, kam es unweigerlich zu dem Skandal, den Grünfelder und die anderen Bankiers vermeiden wollten. Andererseits konnte so der Schmuck zurückgewonnen werden und wahrscheinlich auch das Geld, das Klingenfeld durch seine Betrügereien an sich gebracht hatte. Da seine Belohnung sich nicht zuletzt danach richtete, wie viel von dem Ergaunerten er für Grünfelder retten konnte, nickte er schließlich.
»Ich bitte darum, mein Herr. Allerdings sollten Sie die amerikanischen Behörden nicht in diesen Fall verwickeln. Ich traue diesen Brüdern nicht. Mein Auftraggeber würde es nicht gutheißen, wenn der Schmuck und das Geld des Verbrechers in New York beschlagnahmt würden und er einen langen Kampf um sein Hab und Gut führen müsste.«
Der Beamte hob beschwichtigend die Hand. »Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen! Unser Kapitän verfügt über die oberste Polizeigewalt auf seinem Schiff und kann den Verbrecher in Gewahrsam nehmen, ohne dass die Behörden in den USA dies erfahren. Klingenfeld wird auf dem Schiff festgehalten, bis es wieder in Bremerhaven anlegt. Allerdings benötigen wir spätestens bei der Ankunft des Schiffes einen Haftbefehl, um den Mann der Polizei übergeben zu können.«
»Darum werde ich mich sofort nach meiner Rückkehr nach Berlin kümmern«, versprach Maruhn und reichte dem hilfsbereiten Mann die Hand. »Herzlichen Dank! Ich werde Ihre Kooperation an Herrn Grünfelder sowie an dessen Teilhaber, den Grafen Trettin, weitermelden.«
»Trettin? Meinen Sie Fridolin von Trettin? Dieser war bis vor ein paar Jahren mein Vorgesetzter und hat sich, als er nach Berlin ging, dafür eingesetzt, dass ich seine Stelle erhalten habe. Ich freue mich sehr, damit auch ihm einen Gefallen tun zu können.«
Spontan lud der NDL -Angestellte daraufhin den Detektiv zum Abendessen ein. Maruhn ahnte zwar, dass diese Einladung auch deswegen ausgesprochen worden war, da sein Gastgeber möglichst viel über diesen Kriminalfall erfahren wollte, sagte jedoch zu. »Ich komme gerne. Aber ich muss morgen den frühesten Zug erreichen, um in der Hauptstadt alles für den Empfang dieses Schurken vorzubereiten.«
Dabei wunderte er sich, dass Klingenfeld auf der
Aller
geblieben war. Wäre der Betrüger in Southampton ausgestiegen und mit einem Schiff einer anderen Reederei weitergereist, wäre es unmöglich gewesen, seiner habhaft zu werden.
I.
M alwine von Trettin walzte mit einer Miene auf ihren Sohn zu, als würde sie am liebsten die ganze Welt erwürgen. Während Ottwald zwei Dienstmänner anwies, das Gepäck seiner Mutter aus dem Zug zu holen, fasste sie seinen Arm und presste ihn so fest, dass es schmerzte. »Dieser elende Vertreter der Berlinischen Feuer-Versicherungs-Anstalt war auf Trettin. Ich habe ihm gesagt, wir erwarten, dass sie die Kosten für den Neubau unserer Scheuer und das verlorene Heu übernehmen, denn schließlich haben wir all die Jahre unsere Prämien bezahlt, ohne dass etwas geschehen wäre. Der Lump wagte jedoch zu behaupten, seine Gesellschaft hätte keinen Grund, dies zu tun, weil wir die Versicherung für dieses Jahr nicht bezahlt hätten. Außerdem sei die Prämie
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