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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Papier, der hinter eines der Fachbretter gerutscht war. Gewohnt, sich alles anzusehen, entfernte er vorsichtig das Brett, damit der Zettel nicht zerriss, wenn er an ihm zog, und legte ihn auf sein Nachtkästchen.
    Nachdem er das Fachbrett wieder in seine alte Lage gebracht hatte, begutachtete er seinen Fund. Es handelte sich um eine Rechnung, die er auf den ersten Blick für sehr alt hielt, denn sie war vergilbt und die Schrift mit schlechter Tinte geschrieben und daher kaum leserlich. Doch als Maruhn das Datum entzifferte, an dem die Rechnung ausgestellt worden war, stutzte er. Sie stammte vom März des laufenden Jahres und war damit gerade mal ein gutes Vierteljahr alt. Ein weiteres Wort, das er entziffern konnte, elektrisierte ihn. Es hieß Schmuck, und er glaubte, auch Kopie lesen zu können.
    War es möglich, dass Anno von Klingenfeld diese Rechnung hier verloren hatte? Vielleicht war sie dem Mann aus einer Tasche gerutscht. Oder hatte er sie dort plaziert, um seine Verfolger zu täuschen?
    Um diese Fragen beantworten zu können, hätte Maruhn weitere Fakten gebraucht. In jedem Fall sagte ihm sein Instinkt, dass er mit dieser Rechnung einen wichtigen Beweis in Händen hielt. Er verstaute sie vorsichtig und beschloss, sie zu Hause in Berlin genauer zu untersuchen. Dort verfügte er nicht nur über eine starke elektrische Lampe, die ihm beim Lesen helfen würde, sondern auch über chemische Lösungen, mit denen er verblasste Schriften sichtbar machen konnte.
    Vorher aber galt es, nach Bremerhaven zu fahren und sich dort zu erkundigen, ob Anno von Klingenfeld tatsächlich nach England aufgebrochen war.

XVI.
    A m nächsten Tag ließ Maruhn sich vom Knecht des Wirts zur Bahnstation fahren und kaufte dort eine Fahrkarte dritter Klasse nach Bremerhaven. Nachdem er den Weg bisher in der ersten Klasse hatte zurücklegen können, fiel es ihm schwer, sich an die hölzernen Bänke und die eng zusammensitzenden Menschen zu gewöhnen. Außerdem war es laut, und es roch schlecht. Daher war er froh, als er den Zug einige Zeit später in Bremen verlassen und mit der Geestebahn nach Bremerhaven weiterfahren konnte.
    Dort führte ihn sein erster Weg ins Kontor des Norddeutschen Lloyd. Am Empfang übergab er seine Visitenkarte und musste ein wenig warten, bis er zu einem höheren Angestellten der Reederei geführt wurde.
    Der Mann in dunkelgrauem Anzug, grauer Krawatte und exakt gescheiteltem Haar sah seinem Besucher mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen entgegen. Maruhn wirkte in seinem altmodischen Anzug und mit seiner Behinderung nicht gerade imposant, dennoch strahlte er eine gewisse Autorität aus, der sich der NDL -Angestellte nicht entziehen konnte.
    »Sie wünschen, mein Herr?«, fragte er.
    Maruhn kramte umständlich in seiner Brieftasche und legte ihm die Bescheinigung vor, die bewies, dass er im Auftrag des Bankiers August von Grünfelder aus Berlin handelte. »Guten Tag! Ich spüre einem Juwelendieb nach, der unter dem Tarnnamen Baron Klingenfeld reist. Der Mann soll mit einem Ihrer Schiffe nach Amerika unterwegs sein.« Der Detektiv verschwieg bewusst, dass Klingenfeld tatsächlich Baron war, denn dann hätte der Angestellte die gewünschte Auskunft mit dem Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht möglicherweise verweigert. So aber verließ der Beamte sein Kontor und kehrte kurz darauf mit einem Ordner zurück.
    »Hier sind die Passagierlisten. Wissen Sie vielleicht, wann dieser Verbrecher an Bord gegangen sein soll? Ich suche sonst bis morgen früh.«
    »Der frühestmögliche Termin war diesen Donnerstag, eventuell auch Freitag. Finden Sie ihn da nicht, können Sie noch Mittwoch nachsehen, falls da ein Dampfer nach zwölf Uhr Mittag abgelegt hat.«
    »Nein, nach Mittag ist da keiner mehr«, antwortete der NDL -Angestellte, während er in seinen Listen blätterte. »Ah, hier ist der Eintrag für Baron Klingenfeld. Er hat eine Passage auf der
Aller
bis Southampton gebucht.«
    »Können Sie in Erfahrung bringen, ob Klingenfeld tatsächlich in England von Bord gegangen ist oder dort seine Passage bis nach New York verlängert hat?«
    »Das wird etwas dauern, denn dafür muss ich nach Southampton telegrafieren!« Der NDL -Angestellte wollte schon das Zimmer verlassen, da hielt Maruhn ihn auf.
    »Einen Moment bitte noch! Sollte Klingenfeld tatsächlich in Southampton das Schiff verlassen haben, fragen Sie bitte bei den anderen Reedereien nach, die diesen Hafen anlaufen, ob er mit einem ihrer Schiffe nach Amerika

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