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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Droschkenkutscher schüttelte den Kopf. »Ich muss die Zügel festhalten, sonst gehen mir die Gäule durch.«
    Da der Mann so aussah, als würde er bis in die Nacht hinein warten, bis jemand die Koffer ablud, biss Ottwald in den sauren Apfel und griff selbst zu. Da auch kein Dienstmann oder Knecht verfügbar war, der die Koffer ins Haus hätte tragen können, blieb ihm nichts anderes übrig, als auch das eigenhändig zu tun.
    Auch daran ist dieser elende Fridolin schuld, fuhr es ihm durch den Kopf. Hätte der Kerl ihm die helfende Hand gereicht, müsste er nicht mit jedem Groschen knapsen. Nur der Gedanke, dass dieser Zustand bald der Vergangenheit angehören würde, verhinderte, dass Ottwald zu fluchen begann. Stattdessen überlegte er, wie er Fridolin und Lore am effektivsten demütigen und erpressen konnte.

II.
    E rmingarde empfing ihre Besucherin mit einer bitteren Klage über Friederike Fabarius’ Ungefälligkeit, weil diese kein einziges ihrer zahlreichen Zimmer für Malwine zur Verfügung gestellt hatte.
    »Sie wissen gar nicht, meine liebe Frau von Trettin, wie schmerzvoll es für uns ist, unter solch unwürdigen Verhältnissen dahinzuvegetieren. Friederike gönnt uns gerade das Notwendigste zum Leben. Dabei hätten wir ein Anrecht auf behagliche Verhältnisse! Doch das hat Lore Huppach, diese falsche Schlange, verhindert. Zusammen mit ihrem Mann und diesem elenden Thomas Simmern haben sie uns, die Blutsverwandten der Komtess Retzmann, beiseitegedrückt und das arme Kind unter ihre Vormundschaft gebracht.«
    Obwohl Malwine sich nicht für Nathalia interessierte, hörte sie ihrer Gastgeberin aufmerksam zu. Immerhin waren Ermingarde Klampt und deren Kinder derzeit ihre einzigen Verbündeten gegen Fridolin und Lore. Ihr Hass auf die beiden war noch weitaus größer als der ihres Sohnes, machte sie doch das Paar für den Tod ihres Mannes und eines ihr sehr nahestehenden Menschen verantwortlich. Unwillkürlich musste Malwine an jene Szene denken, in der der ehemalige Kutscher ihren Ehemann vor ihren Augen mit einer Jagdbüchse erschossen und sich anschließend selbst das Leben genommen hatte.
    Während Malwines Gedanken auf Wanderschaft gingen, berichtete Ermingarde Klampt empört von den echten und eingebildeten Einschränkungen, die Friederike Fabarius ihr und ihren Kindern auferlegte, und setzte immer wieder Spitzen gegen Lore, die ihr zuerst die Liebe und Zuneigung Nathalias und dann deren Vermögen gestohlen habe. Malwine stimmte ihrer Gastgeberin eifrig zu, um sich deren Unterstützung zu sichern. Unauffällig musterte sie dann ihren Sohn, der ausgesprochen interessiert zu lauschen schien.
    »Du hast etwas vor! Das sehe ich dir an«, sagte sie, als sie kurz darauf für ein paar Augenblicke alleine waren.
    Der junge Mann nickte nachdenklich. »Allerdings! Ich werde Onkel Fridolin und seiner Frau die Demütigungen heimzahlen, die wir ihretwegen erlitten haben, und dafür Sorge tragen, dass wir, die Trettins auf Trettin, die Hauptlinie der Familie bleiben. Außerdem …« An dieser Stelle machte Ottwald eine kleine Pause, um die Spannung zu erhöhen. »Außerdem werde ich mit Hilfe von Frau Klampt und ihrem Sohn alles daransetzen, um Komtess Nathalia von Retzmann zu heiraten. Wir erhalten zwei Drittel von deren Vermögen, Ermingarde und ihre Familie das letzte Drittel.«
    Malwine war beeindruckt, brachte aber trotzdem einen Einwand vor. »Ein ganzes Drittel für die Klampts! Ist das nicht zu viel?«
    »Um mein Ziel zu erreichen, benötige ich ihre Hilfe. Ich kann nicht wie ein x-beliebiger Freier um die Komtess werben, denn unsere lieben Verwandten Fridolin und Lore würden mich sofort in ein schlechtes Licht rücken. Daher muss Nathalia von Retzmann in eine Situation gebracht werden, in der sie eine Heirat mit mir nicht mehr ablehnen kann.«
    »Eine Entführung also!« Malwine war Feuer und Flamme für eine solche Idee, und Ottwald, der die ganzen Tage bereits mit dieser Möglichkeit geliebäugelt hatte, lächelte geschmeichelt.
    »So ähnlich habe ich es mir gedacht.«

III.
    U nterdessen hatten auf Gut Steenbrook die Ferien so richtig begonnen. Als Mary mit ihren Kindern eingetroffen war, hatte Nathalia neben Tinke ein Mädchen aus dem Dorf als zweite Helferin für Fräulein Agathe engagiert, damit sich Lores Atelierpartnerin, deren Kindermädchen in Berlin geblieben war, nicht selbst um Jonny und die kleine Prudence kümmern musste. Allerdings zeigte sich rasch, dass der Junge ebenso wie Wolfi mehr

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