Juliregen
ihm nach – bis auf Leutnant Bukow, der vorher noch eine Bosheit loswerden wollte und sich zu Gottlobine beugte. »Mein Vetter Edgar benimmt sich nicht wie ein Gutsherr, sondern wie ein Gutsbeamter. Etwas anderes ist er beim Großfürsten von Oldenburg auch nicht.«
In dieser Bemerkung schwang Bukows Ärger mit, dass das Mädchen sich in den letzten Tagen immer mehr seinem Vetter Gademer zugewandt hatte. Das erschien ihm doppelt fatal, weil auch er die Behauptung für wahr hielt, die Rodegard von Philippstein in die Welt gesetzt hatte, der Erbe von Nehlen müsse ihre Tochter heiraten.
Rodegard hatte Gottlobine zwar befohlen, diese dürfe keinen der beiden Vettern bevorzugen, sondern solle demjenigen, den der alte Graf zum Erben bestimmte, ihre Zuneigung schenken. Aber das Mädchen hatte nicht vergessen, dass Leutnant Bukow sie in Berlin eher kühl behandelt hatte und ihr erst hier auf dem Gut den Hof machte. Auch fühlte sie sich zu dem untadelig erscheinenden Gademer mehr hingezogen als zu dem Leutnant, der Gerüchten zufolge bisher ein sehr flottes Leben geführt haben soll.
Anders als ihre Tochter interessierte Rodegard von Philippstein sich nicht für Bukows Ruf als Frauenheld. Wenn Graf Nehlen ihn erwählte, hatte er ihr Schwiegersohn zu werden. Zog der alte Herr Edgar von Gademer vor, würde sie eben diesen mit Gottlobines Hand beglücken. Allerdings sah sie eine Gefahr für ihre Pläne, und die saß zur Rechten des Grafen. Frau Rodegard mochte zwar den Kopf über die seltsame Vorliebe schütteln, die der Gutsherr für Nathalia von Retzmann hegte, aber sie durfte dieses impertinente Geschöpf bei ihrer Rechnung nicht außer Acht lassen. Immerhin war die Komtess reich wie Krösus, und wenn der Leutnant deren Sympathie errang, konnte dies Nehlen dazu bewegen, Bukow den Vorzug zu geben, damit Geld zu Geld kam.
Mit dem Gefühl, dass die Gaben der Welt äußerst ungerecht verteilt waren, aß Frau von Philippstein ihre Suppe und versuchte, das Gespräch wieder an sich zu reißen. »Während wir hier schwelgen, muss der arme Gademer hungern.«
Nehlen sah mit spöttisch gespitzten Lippen zu ihr hin. »Bei einem Landwirt geht die Arbeit nun einmal vor. Aber keine Sorge! Ich werde den armen Jungen nicht verhungern lassen. Sobald er zurückkehrt, wird ihm aufgetragen.«
»Er ist ein so pflichtbewusster Mann«, seufzte Gottlobine seelenvoll.
»Er ist doch nichts weiter als ein Knecht!«, rief Bukow unbeherrscht.
Da Jürgen sich nicht für den Kampf um das Erbe und noch weniger für Gottlobine interessierte, wandte er sich Lore zu. »Gnädige Frau, Sie sagten vorhin, ich solle für Sie zeichnen.«
»Ja, ein Bild von Komtess Nathalia in ihrem neuen Reitkleid. Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn meine liebe Freundin Mary es in ihrem Modesalon ihren Kundinnen präsentiert.«
»Mir wäre es peinlich, könnte man meine Tochter als Reklamebild bei einer Schneiderin sehen«, warf Rodegard von Philippstein pikiert ein.
»Mir nicht«, gab Nathalia scharf zurück. »Immerhin erlauben hohe Damen und auch Herren ihren bevorzugten Lieferanten, Bilder oder Dankesschreiben in ihren Geschäften aufzuhängen. Das siehst du doch auch so, Lore?«
»Gewiss«, antwortete diese, wurde aber dann von Rodegard von Philippstein übertönt.
»Sie sagen du zu Gräfin Trettin, so als wäre diese Ihre Zofe oder Ihr Dienstmädchen?«
»Zu denen sage ich Sie, denn das Du hebe ich mir für ganz wenige Freundinnen und Freunde auf«, antwortete Nathalia mit einem süffisanten Lächeln.
Frau von Philippstein nahm die Antwort mit einer verbissenen Miene zur Kenntnis und überlegte, wie sie die nächste Spitze anbringen konnte. Der Gedanke, dass dieses reiche und durchaus hübsche Mädchen, welches ihre eigene Tochter beinahe zu einem Nichts degradierte, an diesem und vielleicht auch noch am nächsten Tag auf Nehlen bleiben würde, brannte wie Feuer in ihr. Läge es in ihrer Macht, würde sie Nathalia samt deren Begleitern aus dem Haus weisen. Doch als sie erneut das Wort an sich zu reißen versuchte, bemerkte sie zu ihrem wachsenden Ärger, dass außer ihrer Tochter und Leutnant Bukow niemand mehr auf sie achtete.
Graf Nehlen besprach mit Fridolin und Konrad das Vorgehen für den nächsten Tag, wie sie den Verwalter auf Klingenfeld daran hindern konnten, tatsächlich noch jemand zu verletzen oder gar umzubringen.
Unterdessen fragte Jürgen Lore, wie genau das Bild aussehen sollte. Sie erklärte es ihm mit Marys Unterstützung, während
Weitere Kostenlose Bücher