Juliregen
Kommen Sie mit, Trettin?«
»Sie wollen mitten in der Nacht Pferde mustern?« Malwine zog fragend die Augenbrauen hoch.
Ottwald von Trettin wusste natürlich, dass dieses Pferd zwei Beine hatte und im
Le Plaisir
zu finden war. Seine Lust, das wenige Geld, das ihm der Diebstahl der Schmuckkassette eingebracht hatte, dort auszugeben, war jedoch gering, und daher schüttelte er den Kopf. »Nein danke. Der Tag war heute aufregend genug. Ich werde mich hinlegen.«
»Und Kraft schöpfen für die große Aktion!« Erneut lachte Klampt wie ein meckernder Ziegenbock, machte sich zum Ausgehen fertig und verließ das Haus.
Mit einem spöttischen Lächeln sah Ottwald dem Mann nach. Gerhard Klampt war zu sehr ein Sklave seiner Triebe, um erfolgreich sein zu können. Selbst wenn er einen Teil von Nathalias Vermögen erhielt, würde er es über kurz oder lang vergeuden und anschließend mit weiteren Forderungen zu ihm kommen. Im Gegensatz zu Pielke und seinen Gaunern würde man Klampt Glauben schenken, wenn er anfing zu reden. Also war es dringend notwendig, dass der Mann und seine weiblichen Verwandten für immer den Mund hielten. Diese Angelegenheit musste er ebenso sorgfältig vorbereiten wie seine Heirat, und er wusste auch schon, was zu tun war. Doch zuerst galt es, sich Nathalia von Retzmanns zu versichern und Fridolin so weit zu bringen, dass dieser ihn unterstützen musste.
Malwine saß mit düsterer Miene da und durchbohrte ihren Sohn mit ihren Blicken. »Jetzt sind wir unter uns. Also kannst du mir sagen, was du vorhast!«
Ottwald dachte eine Zeitlang nach und nickte schließlich. »Es wird wohl das Beste sein, damit du in Zukunft den Mund hältst, wenn Schweigen geboten ist. Sonst zerstörst du mit deinen Ausbrüchen noch meine Pläne. Komm mit!« Er stand auf und ging in das Zimmer, das er mit Gerhard Klampt teilte.
Seine Mutter folgte ihm gespannt und sah zu, wie er eine Schublade aufsperrte und unter einen Stapel Hemden griff. Als er den Arm wieder herauszog, hielt er ein ledergebundenes Album in der Hand und reichte es seiner Mutter.
»Sieh es dir an!«
Diese starrte angewidert auf die Fotografien nackter Frauen, mit denen das Album gefüllt war. »Was soll dieser Schmutz?«
»Nun, was würde mit einer Dame der Gesellschaft geschehen, wenn ein solches Bild von ihr in Umlauf käme?«, antwortete ihr Sohn mit einer Gegenfrage.
»Sie wäre erledigt. Man würde vor ihr ausspucken, und alle Türen blieben ihr fürderhin verschlossen.« Malwine legte den Kopf schief und musterte ihren Sohn, als sähe sie ihn zum ersten Mal. »Das also hast du vor! Wenn du ein solches Bild von der Komtess in die Hände bekämst, müsste sie dir gehorchen wie eine Sklavin und unverzüglich in die Ehe einwilligen. Lore und Fridolin aber könntest du damit endgültig vernichten.«
»Ich will die beiden nicht vernichten, sondern zwingen, uns mit Geld und auch gesellschaftlich zu unterstützen. Nun solltest du in dein Zimmer gehen. Wenn Ermingarde oder ihre Tochter zufällig aufwachen und schauen, warum ihr kostbares Gaslicht hier noch brennt, entdecken sie, was für unanständige Bilder wir betrachten, und denken wer weiß was von uns.« Nach diesen Worten schob Ottwald von Trettin seine Mutter zur Tür hinaus, schloss diese und setzte sich aufs Bett.
Er blätterte noch einmal in dem Album und sagte sich, dass es das schwerste Stück Arbeit sein würde, ähnliche Fotos von Nathalia von Retzmann und Lore von Trettin anzufertigen. Der Aufwand würde sich jedoch lohnen und ihm beide samt seinem Onkel Fridolin in die Hand geben. Mit diesem Gedanken legte er das Album zurück in sein Versteck und machte sich für die Nacht zurecht. Kaum hatte er sich das Nachthemd übergezogen, fiel ihm ein, dass er Gerhard Klampts Abwesenheit nützen könnte. Er schlich hinaus und klopfte leise an die Tür, hinter der Luise schlief.
XIII.
D ela Wollenweber empfing Laabs sichtlich erfreut. »Wie schön, dass du doch noch kommst! Jetzt habe ich wenigstens für den Rest der Nacht frei. Ich musste heute schon drei Kerle ertragen, und einer davon hat mir wirklich weh getan. Das muss anders werden! Wenn ich weitermachen soll, muss ich selbst bestimmen können, wen ich in mein Bett lasse.«
Vor einigen Monaten war das Mädchen Laabs mit der Aussicht auf eine herrliche Zukunft nach Berlin gefolgt, hier aber rasch auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Da Dela jedoch noch immer an seine unverbrüchliche Liebe glaubte, hatte sie nach einigem Widerstreben darin
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