Juliregen
bereits erklärt hatten, dass man auf ihre weiteren Dienste verzichten müsse, blieb ihr nichts anderes übrig, als bei ihrer einzigen Verwandten Unterschlupf zu suchen. Wenn der Preis dafür eine Heirat mit Gerhard Klampt war, würde sie diesen zahlen müssen, zumal sie dadurch ein Vermögen erben konnte.
Sie knickste erneut vor der alten Frau und folgte dem alten Dienstmädchen nach draußen. »Ich bin froh, dass Sie gekommen sind, Fräulein Philomena«, sagte die Alte, kaum dass sie die Tür des Zimmers geschlossen hatte. »Diese Ermingarde Klampt muss dringend in ihre Schranken gewiesen werden, denn sie führt sich auf, als sei sie bereits die Hausherrin. Denken Sie nur, sie hat fremde Leute zu sich als Gäste eingeladen, wo die gnädige Frau das doch gar nicht mag.«
»Was für Gäste?«
»Irgendein Gutsbesitzer aus Ostpreußen samt seiner Mutter, die Ermingarde von früher kennt. Bis gestern war sogar noch eine Weibsperson bei ihr, ein Dienstmädchen, das diesen angeblichen Gutsherrn nachts in ihre Kammer eingelassen hat. Ich habe der gnädigen Frau aber nichts davon berichtet, sonst hätte sie sich zu sehr aufgeregt.«
Philomena lauschte aufmerksam und begriff vor allem eines: Das Dienstmädchen mochte fast so alt sein wie ihre Großtante, aber ihm entging nichts, was in diesem Haus geschah. Daher würde sie sich vorsehen müssen, damit ihr kein Wort entfuhr, das Friederike Fabarius verärgern mochte. Andererseits konnte sie auf die Hilfe der Alten zählen, um Ermingarde, deren Tochter und auch Gerhard zu überwachen. Daher lobte sie das Dienstmädchen für seine Umsicht und gab ihrer Hoffnung Ausdruck, Gerhard Klampt würde doch nicht so schlimm sein, wie ihre Freundinnen es ihr berichtet hatten.
Die Alte winkte voller Verachtung ab. »Den werden Sie nach Ihrer Hochzeit scharf an die Kandare nehmen müssen, Fräulein Philomena, sonst führt er sein sündiges Leben fort. Ich hoffe, dieser Ostpreuße und dessen Mutter verlassen bald das Haus. Die beiden tun weder Herrn Klampt noch seiner Mutter gut. Außerdem machen sie Lärm und trinken die besten Weine der Herrin weg.«
»Es ist gut, wenn jemand einen darüber aufklärt, was zu tun ist. Ich danke dir!« Philomena lächelte dem Dienstmädchen zu und folgte ihm zu der vorderen Treppe. Dort stieg sie ins erste Geschoss hinab und ließ sich von der Alten bei Ermingarde anmelden.
Nachdem sie bis zehn gezählt hatte, trat sie ein und stand gleich fünf Leuten gegenüber. Ermingarde Klampt hatte sie schon früher kennengelernt, ebenso deren Tochter Armgard, während sie dem Sohn noch nicht begegnet war. Daher musterte sie den älteren der beiden Männer im Raum mit einem prüfenden Blick und seufzte innerlich. Mit seinem schwammigen Gesicht und der fortgeschrittenen Glatze fiel Gerhard Klampt stark gegen seinen Gast ab. Bei diesem musste es sich um den Gutsbesitzer aus Ostpreußen handeln. Der Mann sah gut aus und war noch recht jung. Eigentlich wirkte er gar nicht wie jemand, der bereit war, mit ihrem zukünftigen Ehemann Freundschaft zu pflegen. Seine Mutter hingegen, eine untersetzte, mürrisch aussehende Frau um die fünfzig, passte sehr gut zu der verbitterten Ermingarde.
Philomena küsste ihre weiblichen Verwandten auf die Wangen und sah sie lächelnd an. »Ich freue mich, dich zu sehen, liebste Großtante Ermingarde, und auch dich, Tante Armgard!« Ihre sanfte Stimme war mit Gift getränkt, und das entging den beiden Damen nicht.
»Verzeih, meine Liebe, doch ich bin deine Tante, wenn man den Verwandtschaftsgrad richtig berechnet«, wies Ermingarde sie zurecht.
»Und ich deine Base«, setzte Armgard gekränkt hinzu.
»Oh, habe ich etwas anderes gesagt? Da muss ich in Gedanken noch bei Großtante Friederike gewesen sein!« Philomenas spöttischer Blick sprach dieser halben Entschuldigung Hohn und ließ keinen Zweifel daran, wer hier in Zukunft das Heft in der Hand halten wollte. Danach wandte sie sich Gerhard Klampt zu und streckte ihm die Hand hin.
Der Mann wusste nicht, ob er diese jetzt drücken oder küssen sollte, und beließ es schließlich bei einem kurzen Kopfnicken. Da er Philomena bis jetzt nur von einem verschwommenen Foto kannte, hatte er gehofft, die Berichte seiner Mutter und seiner Schwester seien übertrieben. Doch nun sah er eine Frau vor sich, an der er beim besten Willen nichts Anziehendes zu finden vermochte.
Philomenas dunkelblondes Haar war im Nacken zu einem straffen Dutt zusammengedreht, ihr Gesicht schien ihm so scharf
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