Juliregen
Grinsens, das sich unwillkürlich auf Ottwald von Trettins Gesicht ausbreitete, fragte er sich, welches Schurkenstück der Mann noch begangen haben mochte. Möglicherweise war es besser, er wusste es nicht, und so beließ er es bei einer beschwichtigenden Geste. »Es tut mir leid, aber das Mittel darf auf keinen Fall zweimal hintereinander für die gleiche Person verwendet werden. Die junge Dame würde es nicht überleben.«
Ottwald kniff die Augen zusammen und überlegte. »Dann geben Sie mir so viel davon, wie Sie glauben, verantworten zu können. Die Komtess muss ja nicht direkt ohnmächtig sein. Es genügt, wenn sie benommen ist.«
Laabs war mittlerweile bereit, alles zu tun, um den Mann und dessen ihm unheimliche Mutter loszuwerden. Daher ließ er etwas von dem Betäubungstrank in ein kleines Fläschchen tropfen. Es war die gleiche Menge, die er benutzte, um frisch angeworbene Mädchen willig zu machen, ohne dass sie einschliefen.
»Hier«, sagte er überflüssigerweise und reichte es dem Gutsherrn. »Und nun kommen Sie!«
Je schneller die Komtess aus dem Haus ist, umso wohler wird mir sein, fügte er in Gedanken hinzu und packte Nathalia bei den Beinen. Als er sie gemeinsam mit Trettin aufhob und zur Tür trug, murmelte sie mehrere unzusammenhängende Worte. Wie es aussah, würde der Gutsherr das Mädchen gleich im Zugabteil betäuben müssen. Nun hoffte er, dass die beiden anderen Frauen nicht erwachten, bevor er vom Bahnhof zurück war.
Malwine trat an die Tür, drehte sich dort noch einmal um und sah Pielke, der mit dem Fotografen zurückblieb, auffordernd an. »Jetzt gehören die Weiber dir!«
Dann schritt sie mit zufriedener Miene die Treppe hinunter. Als sie die Hintertür des Hauses erreichte, hörte sie, wie jemand mehrfach hektisch am Strang der Türglocke des Bordells im Erdgeschoss zog.
VI.
D er junge Mann wurde unruhig und schlug um sich. Anscheinend begriff er instinktiv, dass er in eine Falle getappt war, und versuchte, gegen das Mittel anzukämpfen. Maruhn beschloss daher, seinen Schützling in Fridas Obhut zu geben. Bis dahin musste er dafür sorgen, dass der Junge sich nicht verletzte. Er hielt Jürgen fest, so gut er konnte, und redete beruhigend auf ihn ein. »Es ist so weit alles gut! Sie sind in Sicherheit, und die Damen werden es auch bald sein.«
Da öffnete der junge Mann den Mund und sagte: »Nathalia!«
Maruhn glaubte, sein unfreiwilliger Begleiter wäre wach, doch als er ihn schüttelte, kam keine Reaktion. »Wir sind gleich bei mir zu Hause. Dort können Sie sich ausruhen«, murmelte er in der Hoffnung, der Betäubte würde wenigstens den beruhigenden Ton seiner Stimme vernehmen, und forderte den Kutscher auf, schneller zu fahren.
»Und wie stellen Sie sich das vor?«, antwortete dieser. »Können Sie die Wagen vor uns vielleicht fortzaubern?«
Die Straße war tatsächlich überfüllt. Weiter vorne regelte ein Schutzmann den Verkehr und ließ immer nur ein paar Droschken oder Fuhrwerke über die Kreuzung fahren. Maruhn überlegte, ob er mit dem Beamten sprechen sollte, damit dieser die Gendarmerie alarmierte. Doch der Gedanke, dass Damen der Gesellschaft an einem so verrufenen Ort wie dem
Le Plaisir
aufgefunden werden könnten, hielt ihn davon ab. Diese Sache musste er selbst regeln.
Zum Glück ging es endlich weiter, und sie konnten die Kreuzung passieren. Kurz darauf bog der Kutscher in die Gräfestraße ein und hielt vor Maruhns Haus.
»Helfen Sie mir«, rief der Detektiv, stieg aus und fasste Jürgen unter den Armen.
Der Kutscher ergriff dessen Beine, und so trugen sie ihn gemeinsam zur Haustür. Frida hatte sie bereits durch das Küchenfenster gesehen und kam ihnen entgegen.
»Wen bringst du denn da mit?«, rief sie erstaunt.
»Jemanden, der von Schurken in eine Falle gelockt und betäubt worden ist, genauso wie seine drei Begleiterinnen. Um die muss ich mich jetzt kümmern.« Zusammen mit dem Kutscher schleppte Maruhn den jungen Mann ins Wohnzimmer und ließ ihn auf das Kanapee sinken. Doch als er sich abwenden wollte, spürte er, wie sich Finger um seinen rechten Unterarm schlossen.
»Was ist geschehen? Wo ist Nathalia, und wo sind die anderen Damen?«
Jürgen war zu Bewusstsein gekommen und fühlte sich schwach und zittrig wie ein alter Gaul. Gleichzeitig war ihm so übel, dass er glaubte, sich erbrechen zu müssen. Die Sorge um Nathalia und ihre Freundinnen aber gab ihm die Kraft, seinen jämmerlichen Zustand zu überwinden.
»Die drei Damen wurden
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