Juliregen
beiseite und trat ein. Jürgen folgte ihm auf dem Fuß.
Im Allgemeinen hätte Anton zwei so aufdringliche Männer rasch wieder an die Luft befördert. Doch Maruhn war Detektiv und Leutnant a.D., wie er der Visitenkarte vor ein paar Tagen hatte entnehmen können, und es mochte einen wichtigen Grund geben, warum dieser so hereinplatzte. Allerdings wollte er nicht, dass die übrigen Gäste des
Le Plaisir
belästigt wurden, daher stellte er sich Maruhn und Jürgen vor der Tür in den Empfangssalon in den Weg. »Warten Sie hier! Ich werde Madame holen.«
Jürgen wollte dennoch weitergehen, doch Maruhn begriff, dass dies das äußerste Zugeständnis war, das sie von dem Türsteher erwarten konnten, und hielt ihn zurück.
»Holen Sie Ihre Chefin, aber rasch!«, sagte er zu Anton. Dann flüsterte er Jürgen zu: »Denken Sie an den Skandal, der unweigerlich folgen würde, wenn wir uns hier wie die Axt im Walde benähmen. Wir müssen zusehen, dass wir diese Angelegenheit diskret aus der Welt schaffen!«
Dies sah Jürgen sofort ein. Sein Gesicht zeigte jedoch eine Härte, die seine Mutter und seine Schwestern mit Sicherheit noch nie an ihm wahrgenommen hatten. Er fasste mit der linken Hand die Scheide des Stockdegens und drückte den Ring, um die Waffe sofort ziehen zu können.
Vorerst aber kamen ihnen keine Feinde entgegen, sondern eine attraktive Frau zwischen dreißig und vierzig, die ein streng wirkendes, dunkelblaues Kleid trug und ihnen neugierig, aber auch leicht verwirrt entgegensah. »Guten Abend, Herr Maruhn. Sie kommen gewiss nicht ins
Le Plaisir
, um hier Geld auszugeben.«
»Nein, Frau Laabs. Ich bin auf der Suche nach drei Damen, die hierhergebracht worden sind.«
Hede schüttelte den Kopf. »Da müssen Sie sich irren. In mein Haus wurde niemand gebracht.«
»Ich habe deutlich gehört, wie einer der Schurken sagte: Bringt sie ins
Le Plaisir!
Die Damen sind betäubt worden, genau wie dieser junge Mann hier, der mich jetzt begleitet.«
Maruhns Stimme nahm an Schärfe zu, doch Jürgen sah die letzten Worte als Aufforderung an, sich vorzustellen. »Jürgen Göde, Madame. Was Herr Maruhn sagt, stimmt. Gräfin Trettin wurde von einem angeblichen Gebrauchtmöbelhändler nach Berlin gelockt. Ich hatte die Ehre, die Gräfin, Komtess Nathalia, Frau Dorothea Simmern und Mrs. Penn hierher zu begleiten, konnte den Damen aber nicht den Schutz bieten, den sie benötigt hätten.«
»Gräfin Trettin, sagen Sie! Aber wie kann das sein?« Hede krampfte erschrocken die Hände zusammen.
Da Maruhn befürchtete, sein Begleiter würde erneut einen längeren Vortrag halten, ergriff er das Wort. »Das ist doch jetzt nicht wichtig! Wir müssen zusehen, dass wir die Damen finden.« Er beäugte Hede misstrauisch. Allerdings machte sie den Eindruck, ehrlich bestürzt zu sein.
Hede rieb sich erregt über die Stirn und forderte den Detektiv und seinen Begleiter auf, mit ihr zu kommen.
»Ich bitte Sie nur, auf meine übrigen Gäste Rücksicht zu nehmen«, bat sie, während die Gedanken in ihrem Kopf einen wirren Tanz vollführten. Hatte Manfred nicht gefordert, eines der Zimmer im ersten Obergeschoss für erotische Fotografien verwenden zu können? Meist wurden für solche Aufnahmen noch hübsch aussehende Dirnen vom Straßenstrich oder aus billigen Bordellen angeworben. Nun sah es ganz so aus, als würden Lore von Trettin und deren Freundinnen dafür verwendet. Diese Vorstellung entfachte höllischen Zorn in ihr. Auch wenn sich ihr Kontakt zu Fridolin und Lore mit der Zeit gelockert hatte, nannte sie beide noch Freund und Freundin und würde alles tun, um ihnen zu helfen.
»Komm mit, Anton! Es kann sein, dass ich dich brauche«, befahl sie ihrem Türsteher und durchmaß anschließend den Empfangssalon und den Korridor zum hinteren Flur mit energischen Schritten. Die Tür dort war verschlossen, doch sie trug den Schlüssel bei sich, um jederzeit zu ihrem Sohn hochsteigen zu können.
Hede öffnete, ließ Maruhn, Jürgen und Anton ein und sperrte die Tür hinter ihnen wieder zu. Nichts von dem, was im Obergeschoss des Hauses geschah, durfte in die Räume des Bordells dringen.
Gerade als Hede den Fuß auf die erste Treppenstufe setzte, wurde es oben laut. »Schneller!«, rief sie und rannte so rasch die Treppe hinauf, dass Maruhn ihr nicht mehr zu folgen vermochte.
VII.
L ore schwebte zwischen Schlafen und Wachen. Mal glaubte sie, Stimmen zu hören, darunter auch die ihrer verhassten Verwandten Malwine, dann driftete sie wieder in
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