Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
überreichte, den der zuständige Richter in Berlin ausgefertigt hatte.
    Der Schiffsoffizier las ihn durch, reichte das Blatt anschließend an Maruhn zurück und salutierte. »Ich übergebe Ihnen auftragsgemäß den Gefangenen Klingenfeld.«
    »Baron Klingenfeld«, warf dieser mit verzerrter Miene ein. Er schien immer noch nicht begreifen zu können, dass sein grandioser Plan gescheitert war.
    Auf Maruhns Wink näherten sich die Gendarmen und stellten sich neben dem Betrüger auf. Unterdessen überreichte der Zahlmeister dem Detektiv ein Formblatt, auf dem die Besitztümer verzeichnet waren, die bei Klingenfeld gefunden worden waren. »Der Gefangene befand sich im Besitz einer größeren Geldsumme sowie einiger sehr hoher Wechsel, die er jederzeit in den Vereinigten Staaten von Amerika hätte einlösen können«, berichtete er. »Eigenartigerweise war der Schmuck, den er mit sich führte, gefälscht und nur wenige hundert Mark wert.«
    Grünfelder lächelte selbstzufrieden, weil er den anderen Bankiers nicht verschwiegen hatte, dass sich die echten Klingenfeld-Juwelen gefunden hatten. Damit hatte er sich ihnen als zuverlässiger Geschäftsmann empfohlen und sie sich gleichzeitig verpflichtet. Nun trat er auf Maruhn zu und starrte auf den Vordruck. Seine Miene nahm mit jeder Zeile, die er las, einen strahlenderen Ausdruck an.
    Schließlich lachte er wie befreit auf und wandte sich den anderen Bankiers zu. »Meine Herren, so wie es aussieht, bekommen wir so viel zurück, dass wir den größten Teil unserer Verluste abdecken können. Graf Trettin kann ebenfalls zufrieden sein, denn auch er hat Anspruch auf Entschädigung aus dem sichergestellten Vermögen dieses Betrügers. Wenn Sie erlauben, lade ich Sie zu einem Umtrunk ein. Sie sind natürlich auch mein Gast, Herr Maruhn, denn ohne Sie ständen wir nicht hier!«
    Mit diesen Worten reichte Grünfelder dem Detektiv die Hand. Auch die anderen Bankiers drängten sich nun heran, um ihm zu diesem Erfolg zu gratulieren. Derweil wurde Anno von Klingenfeld zu einem geschlossenen Wagen gebracht und hineingeschoben. Einer der Gendarmen verriegelte den Schlag, dann schwang er sich auf den Bock und nahm neben dem Kutscher Platz. Der andere Gendarm stieg auf die Plattform am Ende des Wagens und gab den Befehl loszufahren.
    Durch das vergitterte Fenster des Wagens sah Maruhn noch für einen Augenblick Klingenfelds bleiches Gesicht, dann starrte auch er auf die Liste mit den beschlagnahmten Besitztümern und las verblüfft die Summen, die der Betrüger ergaunert hatte.
    Nun würde Lore von Trettin wohl nicht mehr gezwungen sein, sich an windige Gebrauchtmöbelhändler zu wenden, und damit Gefahr laufen, Schurken wie Laabs auf den Leim zu gehen. Die Tatsache, dass er den Bordellwirt nicht hatte fassen können, ärgerte ihn zwar, doch es lohnte sich nicht, weiter nach dem Kerl zu suchen. Maruhn war sich sicher, dass Laabs Preußen und wahrscheinlich auch das Deutsche Reich längst verlassen hatte und sich nun an einem ebenso fernen wie sicheren Ort befand, an dem er dem Arm der hiesigen Justiz entzogen war.

I.
    S eit den aufregenden Ereignissen im Juli 1887 waren mehrere Monate vergangen. Lore, Nathalia und Dorothea hatten sich nach Klingenfeld zurückgezogen, um dort die Schrecken der Entführung zu überwinden. Vor allem die sensible Dorothea brauchte Ruhe und viel Zuwendung. Doch am wichtigsten für sie war eine Aufgabe, die sie von der Erinnerung an jene schrecklichen Vorgänge im
Le Plaisir
ablenkte. Auf dem Gutshof fand sie ein großes Betätigungsfeld. Fridolin hatte Lore von dem Geld, das er als Entschädigung aus Anno von Klingenfelds beschlagnahmtem Vermögen erhalten hatte, eine gewisse Summe zugestanden, und sie tat alles, um diese so sinnvoll wie möglich zu verwenden.
    Dorothea war ihr eine große Hilfe, die wertvollste Unterstützung erfuhr sie jedoch von Jürgen Göde. Er unternahm die Reisen zu Händlern, begutachtete deren Möbel und führte die Verhandlungen so souverän, dass Lore ebenso beeindruckt wie zufrieden war. Nicht zuletzt seines ungewöhnlichen Einfühlungsvermögens wegen hätte sie ihm von Herzen gewünscht, bei Graf Nehlen besser angesehen zu sein. Der alte Herr jedoch kümmerte sich kaum noch um seinen jüngsten Großneffen, sondern schien Edgar von Gademer zu favorisieren. Dieser hatte seinen Konkurrenten Adolar von Bukow inzwischen bei Gottlobine von Philippstein ausgestochen, und so sah Lore ihre Intimfeindin Rodegard bereits als Nachbarin.
    An

Weitere Kostenlose Bücher