Juliregen
machen?«
»Verbrenne sie, sofort!« Mary wandte den Kopf ab, denn sie brachte es nicht einmal fertig, die Bilder anzusehen.
Da Lore und Dorothea nickten, blickte Nathalia seufzend auf die Fotos. »Ich würde sie ja gerne behalten, um später sagen zu können: So habe ich einmal ausgesehen!«
»Du wirst sie auch später niemand zeigen können«, mahnte Lore sie. »Und jetzt komm! Ich will in die Badewanne. Das Wasser wird sonst kalt.«
»Wenn du meinst.« Nathalia zerriss die Fotos und warf die Stücke in den Kamin. »Jutta soll ein Feuerchen anschüren und sie verbrennen. Hier im Zimmer ist es ein wenig klamm. Da wird uns die Wärme guttun.«
Jutta Knoppke wollte schon sagen, dass dies die Arbeit eines nachrangigen Dieners und nicht der Mamsell selbst sei, doch nachdem sie einen Blick auf die zerrissenen Fotos geworfen hatte, gehorchte sie ohne Widerspruch. So etwas durfte kein Diener zu Gesicht bekommen.
XVI.
D er Himmel spannte sich in einem hellen Blau über der Stadt, und die Sonne versprach einen warmen Tag. Von der See her wehte jedoch ein scharfer Wind und ließ Dirk Maruhn wünschen, einen festen Mantel zu tragen. Er stand etwas abseits von den anderen Menschen am Kai und sah dem Schiff entgegen, das an der Leine der Schlepper langsam näher kam. Es war die
Aller
, jener Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd, mit dem Baron Klingenfeld nach Amerika hatte fliehen wollen. Nun kam das Schiff und mit ihm der Betrüger nach Bremerhaven zurück.
Das war sein Verdienst, und doch beschäftigten sich seine Gedanken weniger mit dem Mann, der mehrere Banken um viel Geld gebracht hatte, sondern mehr mit den Geschehnissen um Nathalia von Retzmann und Lore von Trettin. Beide Frauen waren Gott sei Dank ebenso in Sicherheit wie deren Freundin Dorothea Simmern. Auch am Scheitern dieses infamen Anschlags maß er sich das größte Verdienst bei. Dennoch wünschte er sich, er hätte bei der Befreiung der Komtess ebenfalls helfen können.
Es war ihm gelungen, die Polizei zu Pielkes Versteck zu führen und diesen samt einigen seiner Kumpane verhaften zu lassen. Doch für die Entführung der drei Frauen würde der Bandenchef nicht bestraft werden. Fridolin von Trettin hatte sich nach reiflicher Überlegung dagegen ausgesprochen, Anklage gegen seinen Neffen Ottwald zu erheben. Dies hätte nicht nur einen üblen Skandal gegeben, sondern die Opfer dieses Verbrechens auch noch vor der Öffentlichkeit bloßgestellt. Die feine Gesellschaft goutierte es nicht, wenn Frauen Opfer solcher Gewalt wurden, sondern behandelte sie, als seien sie selbst schuld daran.
Das Tuten der Schiffssirene durchbrach Maruhns Gedankengang, und er beobachtete das Anlegemanöver. In wenigen Minuten würde die
Aller
am Kai liegen. Oben an Deck ließen sich die Passagiere keinen Augenblick des Geschehens entgehen. Andere drängten sich bereits in der Nähe der Gangway. Bevor diese von Bord gehen durften, musste jedoch Anno von Klingenfeld an Land gebracht werden.
Maruhn bemerkte, dass sich einige sehr konservativ gekleidete Herren in strammsitzenden Sonntagsröcken und Zylinderhüten in seiner Nähe aufstellten. Unter ihnen waren Grünfelder sowie zwei weitere Bankiers, denen Klingenfeld gefälschten Schmuck untergeschoben hatte. Die Herren hoben sich mit ihren ernsten Gesichtern von anderen Wartenden ab, wirkten aber sehr zufrieden. Grünfelder winkte sogar zu ihm herüber. Der ältliche Bankier schrieb sich das Verdienst an der Gefangennahme des flüchtigen Betrügers zu, denn immerhin hatte er den Detektiv verpflichtet, dem es gelungen war, Klingenfeld auf die Spur zu kommen.
Hoffentlich zeigt sich Grünfelder bei der Belohnung, die er mir zahlen will, entsprechend großzügig, dachte Maruhn. Er hatte immer noch vor, Frida zu heiraten, mochte diese für einen ehemaligen preußischen Offizier auch alles andere als standesgemäß sein.
Sich selbst maßregelnd, weil seine Gedanken ständig abschweiften, richtete Maruhn seine Aufmerksamkeit wieder auf das Schiff, das eben anlegte. Kurz darauf wurde die Gangway befestigt, und dann trat der dritte Offizier der
Aller
mit dem Zahlmeister an Land. Ihnen folgten zwei Matrosen, die Anno von Klingenfeld zwischen sich führten.
Der dritte Offizier blickte sich suchend nach einem Vertreter der Staatsmacht um. Zwar waren Gendarmen erschienen, aber die hielten sich angesichts des Auftretens der geschädigten Bankiers im Hintergrund.
Maruhn erlöste den Mann, indem er auf ihn zutrat und ihm den Haftbefehl
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