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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Sie einen Wagen und einen Kutscher für uns hätten, wären wir Ihnen dankbar!«
    »Um diese Zeit und bei dem Regen?«, fragte der Fuhrunternehmer unwillig.
    Lore sprang Jürgen bei. »Wir sind völlig durchnässt und können doch nicht ohne Gepäck in ein Hotel gehen!«
    »Außerdem zahlen wir gut!« Nathalias Bemerkung gab den Ausschlag.
    Der Fuhrunternehmer verlangte einen horrenden Preis, doch Lore nahm das Geld aus ihrer Brieftasche und zeigte ihm die Scheine. »Wie Sie sehen, können wir bezahlen. Und nun beeilen Sie sich! Auch wenn Sommer ist, ist es doch alles andere als angenehm, des Nachts im Regen herumzustehen.«
    »Ich komme ja schon!« Der Mann schloss das Fenster, und für einige Zeit standen die drei vor dem Haus, ohne dass sich etwas tat. Gerade als Jürgen noch einmal klopfen wollte, wurde das Hoftor geöffnet und ein von zwei Pferden gezogener Landauer fuhr auf die Straße. Das Verdeck war geschlossen, und der Kutscher saß in einen dicken Lodenmantel gehüllt auf seinem Bock. Als Lore und ihre Begleiter einstiegen, fanden sie im Innern des Wagens zu ihrer Erleichterung Decken vor, in die sie sich hüllen konnten.
    »Herzlichen Dank!«, rief Lore dem Fuhrunternehmer zu, der einen langen Morgenrock über sein Nachthemd geworfen hatte und sich mit einem Regenschirm gegen die von oben kommende Flut schützte. Während sie dem Mann eine hübsche Anzahlung auf das Fuhrgeld zahlte, half Jürgen Nathalia in den Wagen und reichte ihr fürsorglich eine Decke. Auch Lore erhielt eine, und die letzte schlang der junge Mann um sich.
    »Die Herrschaften wollen nach Berlin?«, fragte der Kutscher.
    Lore nickte, obwohl er es nicht sehen konnte. »So ist es!«
    Ihrer Schätzung nach hatte der Zug kaum mehr als dreißig oder vierzig Kilometer zurückgelegt, und diese Strecke konnte das Gespann bewältigen.
    Dem Kutscher schien es recht zu sein, und er trieb seine Pferde an. Schneller als im Schritt konnten die Tiere nicht gehen, da das Licht der beiden Lampen an den Seiten des Wagens kaum die Straße erhellte. Doch Lore war froh, dass es Richtung Heimat ging. Als sie die Decke fest um sich schlug und versuchte, die klamme Kälte ihrer Kleidung zu ignorieren, spürte sie, wie die Anspannung von ihr abfiel und sie in eine tiefe Erschöpfung versank. Sie schloss die Augen und gab sich der Erleichterung hin, dass es ihr und ihren Freunden gelungen war, dem infamen Anschlag ihrer Verwandtschaft unbeschadet zu entkommen. Darüber schlief sie ein.
    Als sie erwachte, war heller Tag. Doch es regnete immer noch, und ihre Kleider waren unangenehm klamm. Dennoch rekelte sie sich zufrieden und zwinkerte Nathalia zu, die kurz vor ihr munter geworden sein musste.
    »Bald sind wir zu Hause!«
    »Wir haben bereits die Außenbezirke Berlins erreicht, und unser Kutscher will wissen, zu welcher Adresse er uns bringen soll«, meldete sich Jürgen zu Wort.
    »In die Tiergartenstraße!« Lore atmete tief durch und genoss die Fahrt durch die feuchten Straßen wie sonst nur einen Ausflug bei herrlichstem Sommerwetter. Auch Nathalia wirkte so zufrieden, dass Jürgen sich seinen Skizzenblock wünschte, um den Ausdruck auf ihrem Gesicht festhalten zu können.
    Da der Kutscher bisher nur selten nach Berlin gekommen war, musste Lore ihn leiten, bis sie ihr Haus in der Tiergartenstraße erreichten. Kaum stand der Wagen, wurde die Haustür aufgerissen, und ihr Mann, Konrad und Dorothea stürmten heraus. Hinter ihnen kam Mary, die sich schwerer als sonst auf ihren Stock stützte und offensichtlich geweint hatte.
    »Endlich! Bei Gott, was sind wir froh, euch unbeschadet wiederzusehen!« Fridolin half Lore aus dem Wagen, zog sie an sich und küsste sie ungeachtet der Tatsache, dass sie mitten auf der Straße standen, auf beide Wangen.
    »Ich bin gestern spät in der Nacht nach Berlin gekommen und habe erst hier durch Dorothea von Natis Entführung erfahren. Als ich dir heute in aller Frühe folgen wollte, bat sie mich zu warten. Sie war sicher, dass bald ein Telegramm von dir eintreffen würde.«
    »Ein Telegramm habe ich zwar nicht geschickt, dafür bin ich selbst gekommen, und zwar mit Nathalia! Auch besitzen Ottwald und seine Mutter jene verhängnisvollen Bilder nicht mehr, mit denen sie Nati erpressen wollten, denn sie war so geistesgegenwärtig, ihnen das Zeug abzunehmen.«
    Nathalia hob kichernd den kleinen Koffer hoch und deutete auf Jürgen. »Meine Freiheit habe ich Herrn Göde zu verdanken. Er hat diesen elenden Ottwald mit ein paar

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