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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Nathalia war Jürgen Göde plaziert worden, Adolar von Bukow hingegen wurde gerade weiter nach vorne in die Nähe des alten Grafen geführt. Dort saßen auch Rodegard und Gottlobine von Philippstein sowie Edgar von Gademer. Letzterer strahlte über das ganze Gesicht, als hätte Graf Nehlen ihn bereits zum Erben bestimmt.
    Der alte Herr ließ sich keine Regung anmerken. Er nahm Platz, hieß seine Gäste sich ebenfalls setzen und wartete, bis die Weingläser gefüllt waren. Dann nahm er das seine zur Hand und erhob es. »Ich danke Ihnen, dass Sie alle meiner Einladung gefolgt sind, und bitte Sie, sich die Speisen munden zu lassen, die gleich aufgetragen werden.«
    Lore fragte sich, ob der alte Herr die Spannung ins Unerträgliche steigern wollte. Außer ihr, Fridolin und Nathalia hatte Nehlen noch etliche Nachbarn des Gutes eingeladen, und sie warteten allesamt neugierig darauf, welcher Großneffe des alten Herrn Gnade vor seinen Augen gefunden hatte. Doch natürlich murrte niemand, sondern alle widmeten sich der Speisefolge, die nach und nach aufgetragen wurde.
    In den letzten Wochen hatte Lore schlichte, aber bekömmliche Landkost vorgesetzt bekommen. Nun fühlte sie sich in eines der feinen Berliner Restaurants versetzt. Vorspeise, Suppe und drei Hauptgänge bewiesen ebenso den gehobenen Geschmack wie die Eisbombe, die als Nachtisch serviert wurde.
    Zwischen zwei Gängen erklärte Graf Nehlen lächelnd, dass Fräulein von Philippstein für die Zusammensetzung des Menüs verantwortlich zeichne. Gottlobine erhob sich auch sofort und nahm die Glückwünsche der Anwesenden mit zufriedener Miene entgegen.
    Nur Nathalia zischte leise und beugte sich an Fridolin vorbei zu Lore hin. »Soll ich sie gleich erwürgen oder bis nach dem Essen warten?«
    Während es Lore gelang, ernst zu bleiben, entfuhr ihrem Mann ein kurzes Lachen. Sofort befand Fridolin sich im Kreuzfeuer der empörten Blicke von Mutter und Tochter Philippstein wieder.
    »Ist Ihnen die Speisenfolge nicht genehm, Graf Trettin?«, fragte Frau Rodegard spitz.
    »Oh, sie ist ausgezeichnet«, antwortete Fridolin und fügte im Stillen ein ›wenn es denn ein Galadiner in der Stadt wäre‹ hinzu. Für eine ländliche Tafel war ihm das Aufgetischte zu affektiert. Wenn dies jedoch in Graf Nehlens Sinn war, würde er sich daran gewöhnen müssen. Immerhin war der alte Herr sein engster Vertrauter in dieser Gegend und verfügte über beste Beziehungen zum Landrat und zu den Behörden.
    »Meine Tochter wollte ihre hausfraulichen Fähigkeiten unter Beweis stellen.« Rodegard von Philippstein platzte fast vor Stolz.
    Prompt entfuhr Nathalia ein weiterer unpassender Kommentar. »Hat sie etwa selbst gekocht?«
    Diesmal gelang es Fridolin, sich zu beherrschen. Auch Lore verzog keine Miene, obwohl sie sich köstlich amüsierte. Der Blick, mit dem Graf Nehlen eben Frau von Philippstein streifte, wies ebenfalls auf heimlichen Spott hin.
    Kaum waren die Teller abgetragen, hob der Graf erneut sein Glas. »Ich danke Ihnen allen für Ihr Erscheinen. Jetzt ist der Augenblick gekommen, an dem ich bekanntgeben will, wer nach mir den Titel eines Grafen Nehlen tragen und dieses Gut weiterführen wird.«
    Edgar von Gademer straffte seine Gestalt, während Leutnant Bukow ein Gesicht zog, als habe er eben den Befehl zu einem Himmelfahrtskommando erhalten. Nur Jürgen saß ganz ruhig da und interessierte sich mehr für Nathalias Gesichtsausdruck, der ihn an eine zornige griechische Göttin erinnerte.
    Grimbert von Nehlen fuhr nach einer kurzen Pause mit seiner Rede fort. »Wie Sie alle wissen, habe ich meine drei Großneffen hierhergeholt, um sie auf Herz und Nieren zu prüfen. Edgar hat sich als fähiger Landwirt erwiesen, dem ich meinen Besitz gerne überlassen würde.«
    Das Klatschen einiger Gäste unterbrach Graf Nehlen, während Gademer sich bereits als Sieger fühlte. Doch da hob der alte Herr aufmerksamkeitheischend die Hand. »Allerdings habe ich mich trotz seiner unzweifelhaften Begabung für die Landwirtschaft gegen Edgar von Gademer entschieden.«
    Während dieser seinen Großonkel ungläubig anstarrte, begann Leutnant Bukow zu strahlen. Gottlobine, die zwischen ihm und Gademer saß, rückte sofort ein Stück zu ihm hin.
    Der alte Herr lächelte spöttisch. »Mein Großneffe Adolar von Bukow ist ein schneidiger Offizier und wird es in der Armee des deutschen Kaisers gewiss noch bis zum General bringen. Daher will ich ihn nicht mit der Leitung dieses Gutes belasten. Nehlen geht

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