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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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uns es am Halfter führen und Wolfi sofort herunterheben, wenn es nötig sein sollte. Keine Sorge, es wird ihm sehr viel Spaß machen.«
    »Wenn du meinst!« Besonders glücklich sah Lore jedoch nicht aus.
    Nathalia schüttelte lachend den Kopf. »Wenn Fridolin Gut Klingenfeld übernimmt, solltest du ebenfalls reiten lernen. Eine Gutsherrin, die mit der Kutsche ausfährt, muss hierzulande die fünfzig überschritten haben, und für dieses Alter fehlen dir noch mindestens dreiundzwanzig Jahre!«
    Nun musste Lore ebenfalls lachen. »Es würde mich wirklich reizen«, sagte sie, als sie sich wieder beruhigt hatte. »Aber du musst mir versprechen, ein wirklich zahmes Pferd zu nehmen und kein zu großes.«
    »Schade, dass das Pony zu klein ist, sonst könntest du darauf reiten. Aber ich werde schon ein Sofa finden, das dich über das Land trägt. Sollen wir gleich mit dem Unterricht beginnen oder erst gegen Nachmittag?«
    »Lieber später. Ich wollte jetzt noch ein paar Modelle skizzieren, die mir seit langem durch den Kopf geistern. Sonst entschwinden sie doch noch meinem Gedächtnis.«
    »Dann tu das!«, antwortete Nathalia mit großzügiger Geste. »Ich werde jetzt ausreiten.«
    »In der größten Hitze?«
    Nathalia tat diesen Einwand mit einer lässigen Handbewegung ab. »Ich will ja keinen Parforceritt machen, sondern gemütlich durch die Gegend streifen. Zu Mittag bin ich wieder zurück.«
    »Vergiss aber nicht, dass hier auf dem Land eine Stunde früher gespeist wird als in Berlin.«
    »Mein Magen wird mich daran erinnern.«
    Mit den Worten entschwand Nathalia, um sich umzuziehen. Auch Lore kehrte ins Haus zurück, um Zeichenblock und Farbstifte zu holen, machte es sich dann unter dem Sonnenschirm auf der Terrasse gemütlich und begann zu zeichnen. Während ihre Stifte flink über das Papier glitten, dachte sie darüber nach, wie hart es sie ankäme, ihre Anteile an Marys Modesalon aufgeben zu müssen. Sie konnte nur hoffen, dass ihr und Fridolins übriges Vermögen für die kühnen Pläne ausreichen würden, die ihr Mann verfolgte.

XI.
    Z unächst trabte Nathalia mit ihrer Stute die Feldwege entlang, die über ihren Besitz führten, und winkte den Knechten und Mägden zu, die auf den Wiesen und Feldern arbeiteten. Schon bald aber wurde ihr das zu langweilig, und sie ließ das Pferd rascher ausgreifen. Nach kurzer Zeit erreichte sie die Hauptstraße und folgte dieser ein Stück in Richtung Norden. Ein Blick zur Sonne verriet ihr, dass sie bald umkehren musste, wenn sie rechtzeitig zum Mittagessen zu Hause sein wollte.
    Sie beschloss, noch bis zur nächsten Kurve zu reiten und sich dann auf den Heimweg zu machen. »Vorwärts, meine Süße«, rief sie Frühlingsmaid zu und kitzelte diese ein wenig mit der Reitgerte. Die Stute prustete und wurde schneller. Schon bald hatte Nathalia die ins Auge gefasste Kurve erreicht und zügelte Frühlingsmaid. Im gleichen Moment sah sie einen Wanderer auf sich zukommen, der trotz des warmen Wetters mit einer dicken Jacke bekleidet war und einen unhandlichen Koffer schleppte.
    Die Neugier zwang Nathalia zu warten, bis der Mann sie erreicht hatte. Er war noch jung, wahrscheinlich keinen Tag über fünfundzwanzig, ein wenig mager und hielt sich nicht besonders gerade. Das Gesicht war verschwitzt, das Haar klebte nass auf der Haut, und auf der Nase saß eine Nickelbrille.
    Noch während ihr Mund sich vor Spott verzog, blieb der Mann stehen und sah zu ihr hoch. »Guten Tag, Fräulein!«, grüßte er. »Könnten Sie so gut sein und mir sagen, wie ich nach Nehlen komme?«
    »Nach Nehlen wollen Sie?«, platzte Nathalia heraus.
    Von ihrem Gut dorthin waren es zehn Kilometer, und sie hatte noch fünf weitere in die Gegenrichtung zurückgelegt. »Guter Mann, da haben Sie noch mindestens drei Stunden vor sich, wenn Sie den Weg überhaupt schaffen. Es ist sehr heiß heute, und ich glaube nicht, dass es so rasch kühler wird. Es sei denn, es zieht ein Gewitter auf, und das wollen wir doch nicht hoffen.«
    »Das wäre etwas zu viel der Abkühlung«, gab der Mann zu und besann sich seiner Manieren. »Verzeihen Sie, mein Name ist Jürgen Göde. Ich bin unterwegs nach Nehlen, bin aber wohl, wie es aussieht, eine Bahnstation zu früh ausgestiegen.«
    »Eher zwei«, antwortete Nathalia lachend. »Jetzt befinden Sie sich mitten zwischen zwei Stationen. Sie können entweder zurückgehen und dort auf den nächsten Zug warten, oder weitergehen und im nächsten größeren Ort einsteigen. Allerdings haben

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