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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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offensichtlich nicht, das konnte er den Ausführungen des Knechts unschwer entnehmen.
    »… war auch zu sehr hinter den Weibern her, und zwar nicht nur hinter Mägden, sondern auch hinter ehrsamen Bauerntöchtern. Und seine Freunde erst, die zu Besuch kamen! Die taten direkt so, als wären wir Wilde, die nicht lesen und schreiben können«, berichtete der Mann weiter.
    In Fridolin formte sich ein nicht gerade schmeichelhaftes Charakterbild des jungen Barons. Auch dessen Berliner Freunde schienen keine lauteren Menschen gewesen zu sein. Er musste an den angeblichen Zuhälter denken, der eines der hiesigen Mädchen in die Stadt gelockt haben sollte.
    »War da nicht mal eine Sache mit einer Magd, die mit nach Berlin gegangen ist?«, fragte er beiläufig.
    Der Kutscher spie angewidert aus und schüttelte den Kopf. »Sie meinen Dela, dieses dumme Ding! Hätte den Hinner haben können, den Vorarbeiter auf dem Gut! Aber ein Knecht hat ihr nicht gepasst. Die ist schließlich mit einem der Kerle nach Berlin gegangen, weil sie sich eingebildet hat, dort was Besseres zu finden. Letztes Weihnachten war sie noch einmal bei ihren Leuten. Hat zwar nichts gesagt, die dumme Pute, aber man hat ihr angemerkt, als was sie arbeitet. Dabei haben ihr schon vorher alle prophezeit, dass sie in einem Sündenbabel endet.«
    Fridolin wollte den Mann nach dem Familiennamen des Mädchens fragen, doch sie hatten den Gutshof bereits erreicht, und der Kutscher fuhr vor dem Herrenhaus vor.
    »So, da sind wir!«
    Fridolin nickte angespannt, stieg aus und bat ihn zu warten.
    »Ist Ihr Geld«, antwortete der Kutscher und lenkte sein Gespann unter das Vordach der Remise, damit die Gäule nicht in der prallen Sonne stehen mussten.
    Fridolin sah sich um und fand den Zustand der Gebäude sowie der meisten Felder und Wiesen nicht so schlimm wie befürchtet. Wie auf Steenbrook bildeten große, reetgedeckte Hallenhäuser aus Klinkersteinen die Wirtschaftsgebäude, während das zweistöckige Herrenhaus aus mit grünem Fachwerk abgesetzten Klinkern bestand und mit Ziegeln gedeckt war. Die meisten Fensterläden waren geschlossen und gaben dem Bau eine abweisende Note. Dennoch gefiel Fridolin das stattliche Anwesen.
    Allerdings herrschte nichts von jener Betriebsamkeit, die er von Steenbrook her gewohnt war, und auf den Weiden war kein Vieh zu sehen. Im ersten Augenblick befürchtete er, sich im Tag geirrt zu haben. Doch es war gewiss nicht Sonntag. Lore und er waren am Donnerstag nach Steenbrook gekommen und am Tag darauf in Nehlen gewesen. Also musste Sonnabend sein, und an dem Tag wurde auf Bauernhöfen und Landgütern gearbeitet.
    Mit ungewohntem Herzklopfen stieg er die Freitreppe zum Hauptgebäude hoch, das noch von der großen Zeit derer von Klingenfeld kündete, und schlug den Türklopfer an. Es dauerte, bis er innen schlurfende Schritte vernahm.
    »Wer ist da?«, fragte eine Frau missmutig.
    »Mein Name ist Trettin. Ich komme vom Bankhaus Grünfelder aus Berlin«, antwortete Fridolin mit lauter Stimme.
    Die Tür schwang auf, und eine ältere Magd stierte ihn aus kurzsichtigen Augen an. »Wenn Sie Baron Anno suchen, der ist seit zwei Wochen nicht mehr hier gewesen!«
    »Ich möchte den Verwalter sprechen«, erklärte Fridolin kurz angebunden.
    »Der ist da drüben!« Die Magd wies auf ein kleineres Gebäude, das etwa hundert Meter entfernt lag, und schlug die Tür wieder zu.
    Kopfschüttelnd wandte Fridolin sich ab. Hier musste wirklich jemand mit eisernem Besen kehren. Einige Augenblicke zweifelte er daran, dass er fähig war, sich so durchzusetzen, wie dieses Gut es erforderte. Dann schüttelte er seine Zweifel ab, ging zum Verwalterhäuschen hinüber und klopfte.
    Auch hier dauerte es, bis jemand aufmachte. Diesmal war es ein Mann seines Alters, der einen halben Kopf größer und einiges breiter war als er. Das breitflächige Gesicht des Verwalters war gerötet, die blonden Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, und die Augen wirkten verschleiert. Vor allem aber strömte er einen so starken Alkoholdunst aus, dass es Fridolin übel wurde.
    »Was wollen Sie?«, fragte der Mann mit schwerer Zunge.
    »Mein Name ist Trettin. Ich komme vom Berliner Bankhaus Grünfelder. Dieser Besitz wurde uns als Pfand übereignet. Daher will ich nachsehen, mit welchem Wert er zu schätzen ist.«
    Der Verwalter verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Du wirst hier überhaupt nichts schätzen, Federkielschwinger! Los, verschwinde! Sonst mache ich dir Beine.«
    »Ich glaube, Sie

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