Juliregen
beide exzellent porträtiert. Unseren Dank! Dürfen wir Ihnen die Bilder abkaufen?«
Jürgen streckte abwehrend die Arme aus. »Meine Damen, ich habe nie daran gedacht, diese Bilder zu behalten. Sie gehören selbstverständlich Ihnen. Sehen Sie es als kleines Gastgeschenk für Ihre freundliche Bewirtung an.«
»Bis jetzt haben Sie ja noch gar nichts gegessen und getrunken. Das holen Sie erst einmal nach. Später können Sie mich noch einmal zeichnen, wenn Sie möchten, und dieses Bild Ihrer Sammlung hinzufügen«, sagte Nathalia großzügig.
Lore blickte sie verwundert an. Bis jetzt hatte sie gedacht, ihre Freundin würde ihren Spott mit dem jungen Mann treiben. Doch so ganz war das wohl nicht der Fall. Sollte … Sie verwarf diesen Gedanken sofort. Es war wohl mehr eine momentane Laune ihrer Freundin, die aus der Langeweile heraus geboren worden war.
Da Jürgen so aussah, als wolle er sich sofort ans Werk machen, nahm Nathalia ihm Block und Stifte ab und wies auf die Köstlichkeiten auf dem Tisch. »Sie müssen jetzt etwas zu sich nehmen, mein Herr. Tun Sie es um meinetwillen. Ihretwegen habe ich mein Mittagessen versäumt, kann aber als gute Gastgeberin nicht zugreifen, bevor Sie es tun!«
Sofort griff Jürgen zum Besteck und zu einer Scheibe Brot. Da er selbst wenig verdiente und die Mutter auf ihre kleine Rente angewiesen war, gab es in seinem Zuhause nur selten etwas anderes als jene Butter und die Marmeladen, die Bäuerinnen auf dem Markt feilhielten. Wurst oder gar Schinken wurde nur an den heiligsten Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern aufgetischt. Er empfand jedoch keinen Neid. Immerhin hatten Komtess Nathalias Vorfahren ihren Besitz zusammengehalten und gemehrt, während sein Großvater alles verlumpt und verspielt und zuletzt noch seinen Adelstitel an einen neureichen Provinzler gegen Geld abgetreten hatte.
Da er ahnte, dass die Komtess zögerliches Zugreifen als Ziererei ansehen würde, belegte er sein Brot mit zwei Scheiben Wurst, strich Mostrich darüber und biss hinein. Es schmeckte so köstlich, dass er sich zwingen musste, die Brotscheibe nicht heißhungrig zu verschlingen. Zwischendurch trank er von dem Bier, das in dem Tonkrug kühl gehalten wurde, und unterhielt sich dabei mit Lore und Nathalia, als wäre er ein alter Freund der Familie.
Welch ein Unterschied zu seiner Mutter und den Schwestern, dachte er. Diese interessierten sich nicht im Geringsten für Politik und hatten für die Vorkämpferinnen für die Frauenrechte, von denen Nathalia eben erzählte, höchstens vernichtende Bemerkungen übrig.
»Wie halten Sie es, Herr Göde? Glauben auch Sie, dass wir Frauen von Natur aus zu unselbständig sind, um eigene Entschlüsse fassen oder gar an Wahlen teilnehmen zu können?«, fragte die Komtess.
»Würde ich von meiner Mutter und meinen Schwestern ausgehen, müsste ich diesen Worten zustimmen. Die drei wären entsetzt, würde man von ihnen verlangen, sich in die Schlangen vor den Wahllokalen einzureihen. Andererseits aber gibt es Frauen wie Sie, meine Damen, die über das, was auf der Welt passiert, besser Bescheid wissen als viele Männer. Ihnen traue ich es durchaus zu, für sich selbst zu entscheiden.«
Nathalia wusste nicht so recht, was sie von Jürgens Worten halten sollte, und reagierte ein wenig kratzbürstig. »Entweder sind Sie sehr höflich und lügen, was meine Freundin und mich betrifft, oder Sie gehören zu den wenigen Männern, deren Verstand nicht durch eigene Dummheit vernebelt wird!«
»Nati!«, mahnte Lore sie wie in ihren Kindertagen. »Das war jetzt sehr unhöflich.«
»Aber ich bitte Sie, gnädige Frau! Die Komtess hat doch nur gesagt, was sie denkt, und ganz unrecht hat sie nicht. So wie es Frauen gibt, die gelernt haben, einen eigenen Willen zu entwickeln, so gibt es auch Männer, die genau das zu verhindern suchen. Selig ist der Mann, dessen Gefährtin sowohl Weiblichkeit wie auch Verstand besitzt!«
Jürgen versuchte verzweifelt, nicht anzuecken. Zu Hause hätte er sich längst einen Vortrag über die Überlegenheit des männlichen Verstands anhören müssen, mit dem er selbst nach Meinung seiner Schwestern allerdings nicht gesegnet war. Hier lächelte Gräfin Trettin nur, und die Komtess riet ihm, von einem bestimmten Schinken zu probieren.
»Oder wollen Sie noch länger darüber referieren, weshalb Männer und Frauen unterschiedlich sind, ohne es wirklich zu sein?«, setzte sie spöttisch hinzu.
»Ich wollte den Damen nicht zu nahe treten«, stieß
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