Juliregen
zu und verbeugte sich mustergültig. »Willkommen zu Hause, Herr Graf!«
»Sie hören sich an, als wäre ich wochenlang weggewesen«, antwortete Fridolin lachend.
»Wir haben einen Gast im Haus, einen sehr anspruchsvollen, wie ich hinzufügen möchte«, erklärte sein Hausverwalter.
»Einen Gast?« Fridolins Gedanken rasten. Die Herren, die er kannte, verfügten entweder selbst über einen Wohnsitz in Berlin oder über genug Geld, um im Adlon oder in vergleichbaren Hotels zu logieren.
»Es handelt sich um Ihren Verwandten, den Freiherrn Ottwald von Trettin. Er erschien an dem Tag, an dem der Herr Graf mit seiner Gemahlin, der Komtess Retzmann und den jungen Herrschaften aufgebrochen ist, und wollte hier auf den Herrn Grafen warten.«
»Ottwald!« Fridolin bleckte in unbewusster Abwehr die Zähne.
Malwines und Ottokars Sohn war nicht gerade der Gast, den er unter seinem Dach zu dulden gedachte. Schon wollte er Ferber fragen, weshalb dieser Ottwald überhaupt eingelassen habe, erinnerte sich aber früh genug daran, dass Lore und er den Streit mit den Trettiner Verwandten nicht an das Personal weitergetragen hatten. Sein Hausverwalter konnte daher nicht wissen, wie wenig willkommen der Freiherr auf Trettin ihm war.
»Ist gut, Ferber! Ich werde mich darum kümmern. Sorgen Sie dafür, dass ich etwas zu essen bekomme. Reisen macht hungrig, vor allem, wenn der Zug nirgends lange genug hält, um unterwegs speisen zu können.«
»Sehr wohl, Herr Graf! Darf ich mir erlauben zu fragen, wann der Kammerdiener des Herrn Grafen eintreffen wird?«
»Ich habe Kowalczyk nach Bremen geschickt, um Herrn Simmern wichtige Unterlagen zu überbringen. Er wird morgen eintreffen. Bis dahin werde ich hoffentlich ohne Kammerdiener auskommen.«
»Ich stehe dem Herrn Grafen selbstverständlich auch in dieser Funktion zur Verfügung.« Ferber verbeugte sich noch einmal und ging gemessenen Schrittes davon.
Unterdessen überlegte Fridolin, wie er seinem Neffen begegnen sollte. Da ihm Streit zuwider war, beschloss er, sich anzuhören, was Ottwald von Trettin zu sagen hatte, und sich dann zu entscheiden. Mit diesem Vorsatz betrat er seine Zimmerflucht, machte sich frisch und kleidete sich um. Als er eine Viertelstunde später in den kleinen Speisesalon trat, stand dort ein üppiger Imbiss für ihn bereit.
Allerdings blieb ihm nicht die Zeit, in Ruhe zu essen, denn schon bald hörte er die Türglocke fordernd bimmeln, und kurz darauf trat sein Neffe in den Raum.
»Guten Tag, Oheim!«, grüßte dieser und reichte dem Diener, der ihm gefolgt war, Hut und Stock.
»Guten Tag, Neffe!« Fridolin betrachtete den jungen Mann, der immer noch kaum eine Ähnlichkeit mit dessen Vater aufwies. War Ottokar ein eher grobschlächtig wirkender Mann mit einem breiten, meist hochroten Kopf gewesen, so sah er nun einen schlanken Schönling vor sich, der selbst Leutnant Bukow in den Schatten stellte. Ottwalds kalt blickende Augen bewiesen jedoch, dass er zwar hübsch, aber gewiss nicht weich war.
»Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise, Oheim«, eröffnete Ottwald das Gespräch.
»Danke der Nachfrage, ich kann nicht klagen!« Fridolin war nicht bereit, seinem Neffen auch nur einen Schritt entgegenzukommen. Nach Ottwalds Auftritt bei ihrem letzten Zusammentreffen fragte er sich misstrauisch, welchen Grund sein Neffe hatte, unangemeldet bei ihm aufzutauchen.
»Sie werden sicher wissen wollen, was mich nach Berlin führt«, fuhr Ottwald fort.
»Sie sind seit vier Jahren Ihr eigener Herr und können tun und lassen, was Sie wollen. Mir sind Sie keine Rechenschaft mehr schuldig.«
Einem Kunden in der Bank hätte Fridolins Tonfall signalisiert, dass sein Kreditwunsch abschlägig beschieden worden war. An seinen Neffen war diese Andeutung jedoch verschwendet.
»Es geht um Trettin«, erklärte Ottwald. »Es gab einen großen Brand, und dabei wurde die Scheuer zerstört.«
»Wie ich eben schon sagte, bin ich seit vier Jahren nicht mehr Ihr Vormund und habe, wie Sie mir selbst unmissverständlich klargemacht haben, mit Gut Trettin nichts mehr zu schaffen.«
Ottwald stemmte sich mit beiden Händen auf den Tisch und sah seinen Onkel durchdringend an. »Das glaube ich doch! Immerhin wird auch Ihr Name in Mitleidenschaft gezogen, wenn es heißt, Gut Trettin sei verkracht. Die Leute würden sich fragen, was Sie als mein Vormund und Sachwalter unternommen haben, dass es dazu gekommen ist!«
»Soll das eine Drohung sein?«, fragte Fridolin mit einem Lächeln, das
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