Juliregen
Kühe würde er sich davon keine kaufen. Das hatte Zeit, bis die Fabrik arbeitete und das erste Geld hereinkam. Davon ließ er jedoch nichts verlauten, als er den Cognacschwenker entgegennahm und mit seinen Geschäftspartnern anstieß. Ihren Mienen nach glaubten Grünfelder und Dohnke, ihn über den Tisch gezogen zu haben. Das entlockte ihm unwillkürlich ein Lächeln. Wer das bessere Geschäft gemacht hatte, würde sich in ein paar Jahren zeigen.
II.
K aum hatte Fridolin das Haus verlassen, streckte Dohnke seinem Schwiegervater die Hand hin. »Ich gratuliere Ihnen! Sie haben eben unseren gemeinsamen Verlust entscheidend verringert. Ich hatte ja die Hoffnung, dass Trettin das Gut kaufen würde, glaubte aber, ihm noch ganz andere Zugeständnisse machen zu müssen.«
Grünfelder lächelte geschmeichelt. »Nun, mein lieber Dohnke, schließlich bin ich ein Mann mit langjähriger Erfahrung als Geschäftsmann und weiß, wie weit ich meinem Gegenüber entgegenkommen muss. Natürlich bin ich froh, dass es so gut gelaufen ist. Doch Trettin wird ebenfalls seinen Gewinn dabei machen. Dies ist auch wichtig, denn sonst kommt er noch auf den Gedanken, wir hätten ihn betrogen.«
»Das bessere Los haben auf jeden Fall wir gezogen«, erklärte Dohnke selbstzufrieden. »Mit diesem Vertrag minimieren wir nicht nur unseren persönlichen Verlust, sondern binden Trettin auf lange Jahre an unser Bankhaus. Seine Fähigkeiten im Umgang mit Kreditnehmern sind unübertroffen. So mancher große Bankier hätte ihn liebend gerne abgeworben und zu seinem Partner gemacht. Dieser Gefahr haben wir jetzt ein für alle Mal einen Riegel vorgeschoben.«
Grünfelder nickte. »So ist es, und das ist auch die paar Mark Zinsen wert, die wir Trettin schenken. Ohne ihn hätten wir einen weitaus höheren Verlust. Dennoch schmerzt es mich, dass ich mich von Anno von Klingenfeld zum Narren habe halten lassen. Ich wusste nichts vom Tod seines Vaters, sondern glaubte, er würde in dessen Auftrag handeln. Die Fabrik, die der alte Klingenfeld errichten wollte, wird nun für immer ein Traum bleiben.«
»Trettin hat wohl nicht das Geld, diese Pläne zu realisieren. Doch sollte uns das nicht bekümmern. Gehen wir zu den Damen! Sie warten gewiss schon auf Nachricht.« Dohnke trank sein Glas leer und wandte sich zur Tür.
Sein Schwiegervater folgte ihm mit erleichterter Miene. Da Fridolin sich bereit erklärt hatte, Gut Klingenfeld zu übernehmen, musste er nicht mehr so tief in seine Privatschatulle greifen, um die Verluste auszugleichen. Dennoch ärgerte er sich über den wertlosen Tand, den Anno von Klingenfeld ihm statt des echten Schmucks als Sicherheit unterschoben hatte, und er hoffte, dass der Detektiv, den er darauf angesetzt hatte, schon bald Erfolge vorweisen konnte.
Als Grünfelder den Salon seiner Frau betrat, hatte er sich wieder in den erfolgreichen und jovialen Geschäftsmann verwandelt, den darzustellen zu seiner zweiten Natur geworden war. Er küsste Juliane auf die Wange und freute sich gleichzeitig auf seinen nächsten Besuch im
Le Plaisir.
Nach den Aufregungen der letzten Zeit benötigte er dringend ein wenig Entspannung. Jetzt aber ließ er sich von seiner Tochter ein Glas Likör reichen, nippte daran und zwinkerte seinem Schwiegersohn zu, als wolle er sagen, dass Männer doch stärkere Getränke gewöhnt waren als dieses süße, nach Kaffee schmeckende Gesöff.
»Nun, meine Lieben, wie habt ihr den Tag verbracht?«, fragte er.
»Wir waren zuerst beim Gottesdienst und haben anschließend Frau von Stenik besucht. Einige interessante Damen waren dort. Wir hatten gehofft, auch Gräfin Trettin dort zu treffen, doch diese ließ sich leider entschuldigen«, antwortete seine Frau.
»Verzeih, meine Liebe! Ich habe vergessen, dir zu berichten, dass Trettin seine Frau und deren Freundin, die Komtess Retzmann, bereits aufs Land gebracht hat.«
»Gräfin Trettin weilt auf dem Land? Aber davon hat sie bei unserem letzten Zusammentreffen gar nichts gesagt!«
Wilhelmine von Dohnke verzog das Gesicht. Immerhin hielt sie sich für die beste Freundin der Gräfin, doch diese Einschätzung hätte Lore höchstens ein Lächeln entlockt. Grünfelders Tochter war ein zu verwöhntes Ding, um irgendjemandes Freundin sein zu können. Vor einigen Jahren hatte sie Lore noch glühend gehasst, nur aus dem einen Grund, weil diese Fridolins Ehefrau war und sie den schmucken Freiherrn unbedingt für sich selbst hatte gewinnen wollen. Mittlerweile war sie mit Emil von
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