Juliregen
nachsichtigen Lächeln. »Du musst entspannt und gerade im Sattel sitzen, meine Liebe. Auch brauchst du keine Sorge zu haben, dass Sofa unter dir durchgehen könnte. Ein gelinder Trab ist das Äußerste, was diese Stute zustande bringt, und das auch nur, wenn du ihr die Sporen gibst und sie gleichzeitig an einer delikaten Stelle von einer Bremse gestochen wird.«
Die Komtess musste sich das Lachen verkneifen. Zwar stand die Stute unter einem anderen Namen im Zuchtbuch, doch ihr Temperament hatte ihr den Spitznamen Sofa eingetragen, da sie angeblich genauso feurig sei wie dieses Möbel.
Während ihre Freundin sich amüsierte, versuchte Lore deren Ratschlag zu befolgen. Der Damensattel erschien ihr jedoch fürchterlich unbequem, und da sie zu verkrampft saß, rutschte sie immer wieder nach unten. Daher stemmte sie sich mit dem linken Fuß gegen den Steigbügel, verlor ihn aber und geriet in Gefahr, vom Pferd zu fallen.
Sofort war Nathalia bei ihr, legte ihr beide Hände unter das Gesäß und stemmte sie wieder nach oben. Dann stellte sie ihr den linken Fuß wieder in den Steigbügel und sah kopfschüttelnd zu ihr auf.
»Ich dachte, du wärst ein Landmädel! Warum hast du denn auf dem Gut deines Großvaters nicht reiten gelernt?«
»Als kleines Kind hat der Stallknecht mich genau wie meine Brüder so aufs Pferd gesetzt, dass die Beine an den Seiten herabhingen. Doch als mein Großvater das entdeckte, hat er es verboten, weil es unschicklich sei, als Mädchen so zu reiten. Ich solle bis zu meiner Einsegnung warten und dann einen Damensattel benützen. Doch als es so weit war, lag er bereits mit Ottokar im Streit um das Gut und hat es kurz darauf an seinen Neffen verloren. Daher habe ich nie reiten gelernt.«
»Das ist zu dumm, denn andernfalls würdest du dich jetzt leichter tun. So, und jetzt setz dich richtig hin, stemme dich mit dem linken Fuß nur leicht gegen den Steigbügel, so dass du ihn nicht mehr verlierst, und halte den Rücken gerade. Du bist eine Dame und keiner dieser Jockeys, die für Geld Pferderennen bestreiten!«
Nathalia wurde energisch, denn zum einen sah sie sich als Lehrerin von Lore nicht richtig gewürdigt, und zum anderen wollte sie am Nachmittag nach Nehlen fahren, um den alten Grafen zu besuchen und die übrigen Neffen unter die Lupe zu nehmen, die an diesem Tag eintreffen sollten. Zwar verspürte sie den Wunsch zu heiraten in weitaus geringerem Maße als ihre gleichaltrigen Freundinnen, aber noch weniger hatte sie vor, als alte Jungfer zu enden, die irgendeinen entfernten Verwandten als möglichen Erben ins Haus holen musste.
»So ist es schon besser!«, lobte sie Lore, als diese sich mehr als zwanzig Meter weit so im Sattel hielt, wie sie es ihr erklärt hatte.
Ein vertrautes Jauchzen brachte Lore dazu, sich Nathalias Lehren noch mehr zu Herzen zu nehmen. Es gelang ihr sogar, sich auf dem Pferd leicht zu drehen, ohne den Halt zu verlieren, und nach ihren Kindern zu sehen, die, von Fräulein Agathe begleitet, näher kamen. Wolfi sah seine Mutter auf dem Pferd sitzen und wollte zu ihr, doch Nathalia fing ihn unterwegs ab.
»Vorsicht, kleiner Mann! Auch wenn die Stute Sofa heißt, hat sie doch Beine, mit denen sie auskeilen kann, wenn du sie erschreckst.«
Wolfi nickte, blickte aber weiterhin sehnsüchtig zu seiner Mutter. »Will auch reiten!«
»Wie heißt das?«, fragte Nathalia nach.
»Ich will bitte auch reiten dürfen«, sagte Wolfi kleinlaut.
»Schon besser! Das machen wir morgen. Es ist gleich Mittag, und danach wollen deine Mama und ich ausfahren.«
Für das Zeitgefühl des Jungen war »morgen« etwa gleichbedeutend mit »nächstes Jahr«, daher verzog er schmollend das Gesicht.
Nathalia musterte ihn amüsiert und versetzte ihm einen leichten Nasenstüber. »So ist es brav! Nach dem nächsten Frühstück werden wir beide Queeny satteln, und dann darfst du auf ihr reiten.«
Der Begriff Frühstück sagte Wolfi schon mehr. Das hieß, dass er nur noch ein Mal schlafen müsste, dann würde er auf dem Pony sitzen. Daher nickte er versöhnt und hielt Nathalia die Hand hin. »Nach dem nächsten Frühstück! Versprochen?«
»Versprochen!« Nathalia schlug ein und wandte sich ihrer Schülerin zu. Sie nickte zufrieden, denn mittlerweile hatte Lore gelernt, aufrecht im Sattel zu sitzen, ohne zu rutschen.
»Na siehst du, es geht doch«, sagte Nathalia mit anerkennendem Spott. »Ich werde dir jetzt beibringen, wie du Sofa lenken kannst. Oder hast du für heute schon genug?«
Lore
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