Juliregen
um, wie er sagte, auf der Höhe der jetzt herrschenden Zeiten zu sein. Fridolin liebte es ein wenig altmodischer und behaglicher, aber das stand ihm als Vertreter eines alten, angesehenen Adelsgeschlechts auch zu.
Ein Diener in grüngoldener Livree öffnete und verbeugte sich. »Darf ich den Herrn Grafen in diesem Haus willkommen heißen?«
»Sie dürfen!«, antwortete Fridolin und brachte den guten Mann damit aus dem Konzept. Der Diener hatte sich rasch wieder gefangen und forderte Fridolin auf, im Rauchsalon zu warten, bis er ihn bei seinen Herrschaften angemeldet habe.
»Gerne.« Fridolin folgte dem Mann in einen Raum, in dem Grünfelder einige seiner bedeutendsten Geschäfte getätigt hatte. Kisten mit erlesenen Zigarren standen auf den Borden bereit, ebenso eine Karaffe mit Cognac bester Qualität. Obwohl Fridolin sich hätte bedienen können, setzte er sich nur in einen Sessel, nahm das aktuelle
Berliner Tageblatt
, das auf einem Tischchen lag, und blätterte es durch. Ein Kommentator beschäftigte sich noch einmal mit der Affäre Schnaebelé und nannte den franzö-sischen Zollinspektor einen üblen Spion, der zu Recht verhaf- tet worden sei. Ein anderer konstatierte zufrieden, dass Papst Leo XIII . den Kulturkampf gegen das Reich als beendet erklärt habe und wohl bald Verhandlungen zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl folgten, um das Verhältnis zueinander neu zu gestalten.
Viel Zeit zum Lesen blieb Fridolin nicht, denn nach kurzer Zeit ging die Tür auf, und seine Kompagnons traten ein. Grünfelder und Dohnke begrüßten ihn überschwenglich.
»Nun, mein lieber Trettin, wieder zurück aus Klingenfeld? Na, was sagen Sie zu dem Gut? Es ist doch wie für Sie gemacht!«, rief Grünfelder, der ihn offenbar mit seiner Begeisterung anstecken wollte.
Fridolin wiegte zweifelnd mit dem Kopf. »Die Gebäude sind noch halbwegs in Ordnung, doch nach zwei Jahren Misswirtschaft ist das Gut arg heruntergekommen. Das Vieh wurde verkauft und muss teuer ersetzt werden, und was von den landwirtschaftlichen Maschinen, die so ein großes Gut braucht, noch vorhanden ist, kann ich nicht sagen. Mein Gespräch mit dem dortigen Verwalter verlief nämlich äußerst unerquicklich. Um es deutlich zu sagen: Ich halte ihn für einen Gauner, der mit Baron Anno von Klingenfeld gemeinsame Sache gemacht hat.«
»Schon wieder Anno von Klingenfeld«, stellte Grünfelder unwillig fest. »Eigentlich ist das nur der Sohn des Gutsherrn, der die Geschäfte im Namen seines Vaters führt.«
»Das gilt schon seit zwei Jahren nicht mehr. Damals ist Richard von Klingenfeld gestorben – oder, besser gesagt, er hat sich erschossen, als ihm seine Schulden über den Kopf gewachsen sind.«
»Was sagen Sie da? Der alte Baron Klingenfeld soll tot sein? Und so lange schon? Davon hat der Sohn uns nicht unterrichtet!« Grünfelder schien schockiert.
»Bedauerlicherweise ja! In der Zwischenzeit hat sein Sohn alles verkauft, was sich irgendwie zu Geld machen ließ. Sie können sich vorstellen, wie das Gut jetzt aussieht.«
»Das heißt, Sie haben kein Interesse daran, es käuflich zu erwerben«, antwortete Grünfelder geknickt. Er schüttelte mehrmals den Kopf, weil er nicht darüber hinwegkam, dass Anno von Klingenfeld ihm den Tod des Vaters verschwiegen und so getan hatte, als handele er in dessen Namen.
»Das habe ich nicht gesagt«, antwortete Fridolin. »Allerdings bin ich sehr im Zweifel, ob ich das Gut übernehmen soll. Lore würde sich darüber freuen, denn sie ist auf dem Land aufgewachsen. Aber ich weiß nicht, ob ich sowohl Gut Klingenfeld wieder aufrichten und gleichzeitig weiterhin Anteilseigner des Bankhauses Grünfelder bleiben kann.« Fridolin entging nicht, dass Grünfelder und sein Schwiegersohn erschreckt zusammenzuckten.
»Aber Sie werden doch gewiss nicht Ihre Anteile an der Bank zurückziehen«, rief Dohnke aus.
Wenn dies geschah, ging es dem Bankhaus an die Substanz, das war Fridolin ebenso bewusst wie seinen Kompagnons. Grünfelder und Dohnke waren nicht solvent genug, um die hohen Verluste aus dem geplatzten Klingenfeld-Kredit zu tragen und gleichzeitig ihn auszahlen zu können. Wenn er, was sie nun befürchteten, seine Anteile einem anderen Berliner Bankier anbot, würden sie in Zukunft nur noch dessen Juniorpartner sein – und das wollte keiner von ihnen.
»Jetzt lassen Sie doch erst mal die Kirche im Dorf, mein lieber Trettin. Wir haben Ihnen ja bereits angeboten, dass Sie den Kaufpreis für das Gut in
Weitere Kostenlose Bücher