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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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verließ erleichtert das muffige Zimmer.
    Als er zu seiner Mutter zurückkehrte, entdeckte er dort Ottwald und begrüßte ihn begeistert. »Sie wissen gar nicht, wie sehr ich mich freue, Sie zu sehen, Herr von Trettin.«
    »Herr von Trettin wird etliche Tage unser Gast sein. Sein unmöglicher Onkel hat ihn nicht nur um eine große Summe betrogen, sondern ihn, als er diese eingefordert hat, durch seine Lakaien aus dem Haus weisen lassen«, erklärte seine Mutter mit zornbebender Stimme.
    »Natürlich bleiben Sie bei uns! Sie müssen erlauben, dass ich Sie später unserer lieben Verwandten Friederike Fabarius vorstelle.« Gerhard Klampt hoffte, mit dieser Bekanntschaft seinen Stand bei der Erbtante weiter zu verbessern. Nun aber interessierte er sich mehr für das, was Ottwald von Trettin zu berichten hatte, und er bat diesen, ihn in sein Zimmer zu begleiten.
    Ottwald von Trettin folgte Klampt und fand sich in einem großen Raum wieder, der von einem breiten altmodischen Himmelbett und einem riesigen Schrank beherrscht wurde. Die Teppiche auf dem Boden mussten noch aus den Kindertagen der Hausherrin stammen, so abgetreten waren sie, und die Vorhänge an den Fenstern hatten ebenfalls schon bessere Tage gesehen. Die Bettüberzüge aber waren noch recht neu, denn sie stammten, wie Gerhard Klampt erklärte, noch aus dem eigenen Haushalt in Bremen.
    »Aber kommen wir jetzt zu Ihnen, lieber Trettin. Ihr Verwandter hat Sie also an die frische Luft gesetzt.«
    »Das können Sie laut sagen, Klampt! Doch das zahle ich diesem Kerl heim, das schwöre ich Ihnen.«
    »Ich würde es Ihnen gönnen, denn mit Fridolin von Trettin haben wir ebenso wie mit dessen Freund Simmern noch eine Rechnung offenstehen. Bisher war ich leider noch nicht in der Lage, diese einzutreiben. Doch zu zweit werden wir einen Weg finden.« Gerhard Klampt holte eine Cognacflasche aus dem Schrank, schenkte zwei Wassergläser doppelt Fingerbreit voll und reichte eines seinem Gast.
    »Auf Ihr Wohl und darauf, dass wir Ihrem Onkel und dessen Freund ein Bein stellen können! Allerdings sollte sich das auch für mich lohnen. Der alte Drachen Fabarius steckt mir sonst noch das Gebetbuch unter die Nase, und ich darf alles aufgeben, was das Leben für einen Mann reizvoll macht.«
    Klampt verzog das Gesicht und beugte sich vertraulich zu Ottwald hinüber. »Ich schlage vor, wir gehen heute Nacht zu meinem Freund Manfred Laabs ins
Le Plaisir.
Er hat mir schon ein paarmal gute Ratschläge erteilt. Vielleicht kann er uns auch in dieser Angelegenheit weiterhelfen.«
    »Bedauerlicherweise habe ich nicht genug Geld, um mir einen Aufenthalt in diesem Luxusbordell leisten zu können. Um es ehrlich zu sagen, würde sogar eine Hure an der Friedrichstraße meine Börse sprengen.«
    Ottwald von Trettin griff sich bei diesen Worten an seine Krawatte, um sie zu richten, und fühlte einen festen Gegenstand. Schnell nahm er ihn ab und starrte auf eine goldene Krawattennadel, die er am Morgen der Schatulle seines Onkels entnommen hatte, und grinste. Die würde er natürlich nicht zurückgeben, sondern sie gewissermaßen als Anzahlung behalten.
    Mit einem Hauch von Zufriedenheit, Fridolin einen ersten fühlbaren Schaden zugefügt zu haben, wandte er sich an Klampt. »Ganz mittellos bin ich doch nicht. Ich werde diese Krawattennadel verkaufen oder versetzen.«
    »Ein schönes Stück und gewiss sehr teuer«, sagte Klampt mit Neid in der Stimme.
    »Das hoffe ich doch!« Ottwald von Trettin lächelte höhnisch, denn mit dem Geld, das er für diese Krawattennadel erzielte, konnte er lange genug in Berlin bleiben, um seine Pläne voranzutreiben.
    Unterdessen betrachtete Klampt das Schmuckstück und stupste dann seinen Gast an. »Sie sollten damit aber nicht zum Juden gehen. Dort erhalten Sie höchstens ein Viertel des Wertes. Wir zeigen das Ding dem guten Laabs. Der hat in solchen Fällen schon öfters als Mittelsmann gedient.«

I.
    V oller Anspannung trat Fridolin auf Grünfelders Haus zu, denn sein Ärger über den Verwalter auf Klingenfeld war noch nicht geschwunden. Zwar wollte er das Gut übernehmen, aber er war nicht bereit, den Preis, den Grünfelder ihm genannt hatte, ohne weiteres zu akzeptieren. Er sah harte Verhandlungen voraus, die er so würde führen müssen, dass seine beiden Partner sich hinterher als Gewinner fühlten, ohne es tatsächlich zu sein.
    Mit einem Seufzer betätigte er den elektrischen Klingelknopf. Grünfelder hatte sein Haus so modern wie möglich eingerichtet,

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