Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
großer Jahrgang zu werden.
Der Mann, den er suchte, hielt das Refraktometer gen Sonne und nickte. Die Trauben mussten eine gute Reife haben. Julius schlenderte den steinigen Weg auf ihn zu.
»Tag, Herr Brück.«
»Herr Eichendorff. Mein Beileid.«
»Danke. Aber Sie hat der Verlust doch sicherlich mit am härtesten getroffen.«
Brücks Augen waren verquollen. Er schien nicht viel Schlaf bekommen zu haben. »Sammeln Sie mal wieder Kräuter?«
»Momentan sammele ich zur Abwechslung mal Informationen, wegen Ihrer Chefin.«
Markus Brück, seines Zeichens Kellermeister im Weingut Schultze-Nögel, ließ für einen Augenblick die Arbeit Arbeit sein und wandte sich Julius zu. Dieser wurde den Gedanken nicht los, dass Brücks Knochen in der Pubertät das Wachstum eingestellt hatten, die Muskeln jedoch fröhlich weitermachten. Das blaue Polohemd war an praktisch jeder Stelle zu eng.
»Also, was die Polizei sich dabei gedacht hat … Ich weiß nicht.«
Brück wirkte deprimiert. Den ansonsten stets gut gelaunten Mann hatte der Tod seines Chefs sichtlich mitgenommen. Er stand gebeugt da, als hätte ihn jemand geprügelt.
»Die Polizei hat ja auch das Fass nicht gefunden.«
»Das Fass? Welches Fass?«
Brück schien ehrlich erstaunt.
»Ich dachte, Sie wüssten davon.«
»Wovon reden Sie?«
»Ich bin eben noch mal in der Kelterhalle gewesen und habe da in der Ecke ein Fass gefunden, auf dem etwas geschrieben steht.«
»Auf allen Fässern steht was geschrieben, sonst wüsste doch keiner, was drin ist.«
»Es stand ›Verräter‹ drauf.«
Brück kniff ungläubig die Augen zusammen. »Verräter?!«
»In altdeutschen Lettern.«
»Wer macht denn so was?«
»Das wollte ich von Ihnen wissen …«
Brücks Erstaunen verwandelte sich in Ärger. Julius bemerkte mit Unbehagen, wie der Muskelberg sich unter dem Hemd anspannte.
»Woher soll ich das denn wissen?!«
»Wer weiß denn besser über das Weingut Bescheid als Sie?«
Brück antwortete nicht, spuckte nur verächtlich auf den Boden, genau vor Julius’ blank polierte Schuhe. Gut spucken gehörte im Weinbau zum Handwerk. Denn Wein muss ständig probiert, aber nicht ständig getrunken werden.
»Anders gefragt: Wer könnte so etwas auf eins von Siggis Fässern schreiben?«
»Also ich schon mal nicht, dass das klar ist! Keine Ahnung, wer so was schreibt.«
»Hatte Siggi denn Feinde im Geschäft?«
Markus wurde theatralisch. » Feinde ? Phhh! Woher denn? Ein paar waren neidisch, klar, weil sie’s selber nicht auf die Reihe bekommen. Der Chef hatte als Einziger den Durchblick, wusste, wie der Hase läuft und was die Zukunft bringt. Sonst hat doch hier keiner Mumm in den Knochen gehabt. Aber Feinde? Nee. Um sich mit ihm anzulegen, hat doch allen der Mut gefehlt. Und jetzt muss ich weitermachen. Die Arbeit erledigt sich schließlich nicht von selbst!«
So harsch kannte Julius den zwar etwas tumben, aber sonst immer freundlichen Kellermeister nicht. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Brück schien fast Angst zu haben.
»Was könnte Siggi denn verraten haben, dass man ihn Verräter nennt?«
»Ich muss wirklich arbeiten.«
Hier kam er nicht weiter.
Julius blieb nur noch, Brück den Eichendorff-Vers »Von Arbeit ruht der Mensch rings in die Runde / Atmet zum Herren auf aus Herzensgrunde« mit auf den Weg zu geben – auch wenn der auf wenig Gegenliebe stieß.
Auf dem Rückweg zu seinem Audi bemerkte Julius am unteren Ende der Lage Klostergarten einen Wanderer. Und dessen strahlend rote Socken kamen ihm merkwürdig bekannt vor.
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