Julius Lawhead 2 - Flammenmond
aber die Erinnerungen waren in ihrem Kopf und ließen sich nicht löschen.
Christina schüttelte sie an der Schulter, doch erst nach einer Weile wagte es Amber, aufzusehen. Die Vampirin starrte sie mit großen Augen an. »Sag mir, was er ihm angetan hat, Amber, bitte. Brandon spricht nicht mit mir!«
Amber schüttelte langsam den Kopf. »Ich kann nicht, Chris.«
KAPITEL 37
Bald sollte das Ritual an seinen feierlichen Höhepunkt gelangen. Es war die letzte Nacht. Brandon tanzte immer häufiger gegen die Pflöcke in seiner Brust an, und das Blut, das in den letzten Tagen fast versiegt war, begann erneut zu fließen.
Die Zuschauer und auch die Musiker waren wieder mehr geworden in dieser vierten und wichtigsten Nacht. Die alten Indianer mobilisierten ihre letzten Kräfte und schlugen härter und schneller auf ihre Trommeln ein. Der monotone Gesang enthielt mit einem Mal andere Verse.
Brandon verdrehte die Augen und tanzte immer schneller. Ich fühlte sein Herz rasen, es hämmerte im Rhythmus der Trommeln, während das Blut des Vampirs Bögen und Zacken in den Sand zeichnete und die Kraft, die im Boden wohnte, mit seinem Leben fütterte.
Brandon schrie und stieß mit aller Gewalt rückwärts. Der Sonnenbaum bog sich, aber die Schnüre hielten. Neues Blut schoss aus der gemarterten Haut. Der Tänzer stolperte zurück, wieder näher an den Baum, aber diesmal gab es kein Verschnaufen, kein Abschwächen des Tempos. Es ging schneller, immer schneller. Wieder näherten sich die Trommeln ihrem Höhepunkt, die Indianer steigerten ihre Gesänge und dieses Mal schrie ich mit.
Ich wollte, dass es aufhörte, dass es endlich endete!
Brandon legte den Kopf in den Nacken, blies in die Adlerknochenpfeife und warf sich rückwärts, bis sich der Baum erneut unter seinem Gewicht bog. Ich krampfte die Hände zu Fäusten.
Es musste doch ein Ende geben! Brandon hing fast in der Waagerechten. Der Baum bog sich, die Haut spannte, und es schien wieder nichts zu passieren, dann schnellte endlich ein Seil zurück. Blut spritzte. Brandons linke Schulter sackte zu Boden. Er schrie den Schmerz hinaus, und einen Wimpernschlag später riss auch das andere Holz aus dem Fleisch. Sein Körper schlug mit einem dumpfen Ton auf den Boden, und es herrschte Stille.
Als hätte jemand die Zeit angehalten. Die Trommeln schlugen nicht mehr und die Sänger schwiegen. Einige der Zuschauer weinten. Brandon lag im Sand. Sein blutüberströmter Oberkörper hob und senkte sich unter heftigem Atem. Der Sonnenpfahl schwang träge hin und her. Die Schnüre mit den blutigen Pflöcken krochen wie sterbende Schlangen über den Boden.
Ich sprang auf, lief die wenigen Schritte zu meinem Freund und fiel neben ihm auf die Knie.
Brandon starrte mit glasigem Blick in den Nachthimmel. Er hatte sich mit seinen Reißzähnen die Lippen aufgebissen. Es war Blutgeruch in seinem Atem und in seinen schwarzen Augen spiegelte sich der Vollmond.
Ob er seine Umgebung überhaupt wahrnahm? Vielleicht war Brandon noch immer in seiner Traumwelt gefangen. Sollte ich ihn in diese, unsere Welt zurückrufen? Ich hob meine Hand und ließ sie über ihm schweben.
Die dünne Luftschicht, die uns trennte, knisterte vor Magie. Vielleicht war es noch zu früh. Als ich meine Hand sinken ließ, lächelte er plötzlich.
»Ich habe gar nicht für die Sonne getanzt, sondern für den Mond«, hauchte er. »Der Große Geist ist im Mond, er ist überall. Der Mond ist unsere Sonne, Julius. Die Sonne der Toten!«
Ich wusste nicht, was er mir damit sagen wollte. Ich schob einen Arm unter seine Schultern und den anderen unter seine Knie. Brandon blinzelte und lächelte und war noch immer in seinem Rausch gefangen. Magie und Adrenalin. Ich drückte die Knie durch und trug den großen Mann davon.
Red Deer leuchtete uns mit einer kleinen Gaslampe.
Wir verließen den Tanzplatz in Richtung Lehmhütte. Der Saum des Kiefernwäldchens lag wie ein Band aus Finsternis vor uns.
Brandon hatte das Bewusstsein verloren.
»Er ist ein tapferer Mann, stark wie ein Krieger aus der Zeit unserer Vorväter«, meinte Red Deer leise.
»Ja, das ist er.«
Der Schamane stellte seine Lampe neben einem Lager aus Decken und Kräutern ab, das man für Brandon vorbereitet hatte. Ich ging vorsichtig in die Knie und legte ihn darauf. Unter dem Gewicht seines Körpers brachen die Zweige, und der intensive Salbeiduft wurde noch stärker. Er irritierte mich und überlagerte den Blutgeruch, der von Brandons Oberkörper aufstieg.
Ich
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