Julius Lawhead 2 - Flammenmond
schlank. Seine langen, braunen Haare reichten bis weit über die Hüfte. Um seinen Hals baumelten weiße Kopfhörer, die zu einem iPod gehörten, im Haar hing eine Adlerfeder. Er war einer derjenigen gewesen, die geholfen hatten, Brandon aus der Erde zu befreien.
Als Christina ihm zögernd die Hand gab und ihren Namen nannte, breitete sich auf seinem Gesicht ein strahlendes Lächeln aus.
»Du bist wunderschön«, sagte er errötend. »Ich gebe meine Lebenskraft gerne.«
Brandons Pfad war gesäumt von Blutstropfen. Die Magie, die in den Gesängen und in der Erde flackerte, sog die Zeichen seiner Hingabe gierig auf und verlangte nach mehr. Mehr Gebet, mehr Leid und mehr Leben – und Brandon gab ihr alles.
Die Trommeln schlugen längst im Takt der Herzen der Zuschauer, oder vielmehr, die Herzen hatten sich den Trommeln angepasst. Gemeinsam wurden wir schneller, rasten, tobten, und dann spannten sich die Sehnen wieder und der Baum neigte seinen Kopf vor Brandons Tapferkeit.
Irgendwann drehte sich Christina einfach vom Tanzplatz weg. »Ich kann nicht mehr.«
Amber bot an sie zu begleiten. »Sie haben Pferde hier«, hörte ich meine Dienerin noch sagen. »Lass uns dahin gehen.«
Nachdem die Frauen verschwunden waren, verlief die Nacht wie die vorherige. Ich schloss mich den Indianern an, saß mit ihnen im Kreis, rauchte mit Red Deer und schlug die Trommel.
Ein Mann, der erst vor wenigen Stunden aus Cameron angekommen war, brachte eine beunruhigende Nachricht mit. Zwei weiße Frauen hatten sich im Ort nach uns erkundigt. Ich fragte nach, doch er konnte nicht mit weiteren Details aufwarten. Er selbst war ihnen nicht begegnet. Ich horchte ihn aus. Wenn das Ereignis schon ein wenig zurücklag, hätten es Judith und Melanie sein können. Doch der Mann wusste nicht, wann die Fremden da gewesen waren. Womöglich sannen doch noch weitere Clanmitglieder Coes auf Rache.
Red Deer versprach für Wachen zu sorgen und mir zu berichten, sobald sie Ungewöhnliches entdeckten. Aber meine Unruhe blieb.
Ich machte einen kurzen Rundgang um das Lager und spürte außer Chris und Brandon keinen weiteren Unsterblichen. Nachdem auch ich meinen Durst gestillt hatte, kehrte ich zum Tanzplatz zurück.
Mit Hilfe der frischen Lebensenergie erblickte ich den Kreis aus Licht, die Pfade der Himmelsrichtungen und die Achse – das Zentrum der Welt –, die in dieser Nacht scheinbar mitten durch den Sonnenbaum verlief. Brandon war damit verbunden und all die Energie kam, floss hin und her, nahm und gab, und ich sah, wie aus dem gebrochenen Geist, der Brandon war, langsam wieder ein Ganzes wurde.
Amber und Christina waren schweigend durch das Wäldchen gelaufen, bis sie eine Lichtung erreichten, auf der Pferde grasten. Als die Tiere die Frauen bemerkten, hoben sie den Kopf und blähten erschrocken die Nüstern. Ein Pferd schnaubte laut, dann stoben alle davon, bis sie das Ende der Umzäunung erreichten.
»Sie haben Angst vor mir«, meinte Christina traurig.
Amber setzte sich mit ihr auf einen flachen Stein und strich der Freundin über den Rücken. Christina hatte den Sonnentanz mit keinem Wort mehr erwähnt, also rührte sie auch nicht daran.
»Ich kann immer noch nicht ganz glauben, dass du es allein mit Coe aufgenommen und ihn getötet hast«, sagte Christina plötzlich.
»Chris, bitte.« Amber wollte nicht über den Vorfall reden, sie hatte sich selbst nicht wiedererkannt. Noch immer quälte sie ein Schatten des brennenden Hasses, der von ihr Besitz ergriffen hatte. Die Vampirin überhörte ihren Einwand.
»Erinnerst du dich noch, als Julius dir gerade das erste Siegel geschenkt hatte? Du wolltest noch nicht einmal eine Pistole anfassen, geschweige denn, benutzen.«
»Ich war nicht ich selbst. Ich verstehe es ja auch nicht. Aber nachdem wir von Coe wiederkamen, hat Julius mir einen Teil von Brandons Erinnerungen gezeigt. Es war so furchtbar, Chris. Von dem Moment an hat irgendwas in mir ausgesetzt. Ich sah immer nur diese Bilder vor mir und dann bin ich einfach dorthin gefahren. Ich wollte Steven retten und ich wollte diese Monster nicht mehr in meinem Kopf haben und all dieses Leid, diese schrecklichen …« Amber konnte nicht mehr weitersprechen.
Christina runzelte die Stirn. »Dann weißt du, was Coe Brandon angetan hat?«, fragte sie vorsichtig.
Amber nickte. Die Bilder von Brandons Vergewaltigung tauchten wieder auf, vermischt mit Coes Schreien, als er in seinem Sarg verbrannte. Sie presste ihre Hände an die Schläfen,
Weitere Kostenlose Bücher