Julius Lawhead 2 - Flammenmond
wusch Blut, Staub und Schweiß von Brandons Brust und drückte die Wundränder der zerrissenen Haut aneinander. Wie ich ihm versprochen hatte, betupfte ich die Kanten mit ein wenig Silberoxid. Er würde seine Narben zum Andenken bekommen. Brandons Herz war vor Erschöpfung stehen geblieben. Ich legte ihm die Hände auf Brust und Stirn. Meine Magie schwoll an wie ein Bach nach starkem Regen. Mit einem heftigen Ruck tat sein Herz den ersten Schlag. Sekunden später öffnete er die Augen. »Ich habe geträumt.« Er reckte seine Hand nach dem Indianer.
»Takoda«, rief ich. Er kam sofort. Ich überließ ihm den Platz an Brandons Seite und stand auf.
»Ich habe geträumt«, sagte Brandon noch einmal und sah den Alten glücklich an.
»Dann erzähl mir, was dir der Große Geist für einen Traum geschickt hat, mein Sohn«, forderte Red Deer ihn auf und beugte sich ganz nah zu Brandon.
»Es war Nacht, der Mond versank tief im Westen, und als er den Horizont berührte, stand er plötzlich in Flammen. Die Sterne waren in Aufruhr. Náhokoos Bika ’ii, der Mann des Nordens, nahm seinen Speer …« Wind kam auf, rauschte pfeifend durch die Wipfel der Pinien und überdeckte Brandons geflüsterte Worte, dann flaute er wieder ab. »… ich spürte die Klauen der Eule in der Brust, aber sie konnte mich nicht halten. Ich fiel und drehte mich, aber unter mir war nur Nacht.« Brandon ließ den Blick schweifen und plötzlich bemerkte ich wieder die Angst und die Scham in seinen Augen. Sie versuchten sich einen Weg nach oben zu erkämpfen. Was gerade noch so heil erschien, drohte erneut zu zerbrechen.
Ich wollte Red Deer anflehen etwas zu tun, aber er musterte Brandon nur, dann endlich nickte er. »Das ist ein starker Traum. Er hat dir einen neuen Namen geschenkt. So’Lani , viele Sterne. Die Eule mit den langen Klauen steht dort, es ist der Mann, den du Meister nennst. Vielleicht kann er deinen einsamen Sturz in die Dunkelheit aufhalten.«
Ich setzte mich wieder zu Brandon. »Du wirst nicht fallen, mein Freund, nicht wenn ich es verhindern kann.«
Brandon versuchte sich aufzusetzen, sackte aber wieder in sein Bett aus Salbei zurück. »Ich möchte meinen Schwur erneuern, Julius. Nimmst du mich auf?«
»Ja, ja, natürlich«, antwortete ich und schüttelte ungläubig den Kopf. »Für mich warst du nie fort. Bist du hungrig, Brandon?«
Ich neigte meinen Kopf und bot ihm meine Kehle. »Trink und wachse an meiner Kraft«, forderte ich, schloss die Augen und ließ meine Schilde fallen. Brandons Magie leuchtete auf und streifte mein Innerstes. Sie war schwach und sosehr ich willens war, mich von ihm betäuben zu lassen, seine Kraft reichte nicht. Als ich merkte, wie er zu zögern begann, umfasste ich seinen Kopf und zog ihn näher. Brandon kämpfte kurz gegen mich an, dann war der Widerstand fort. Seine Muskeln spannten sich für den Biss. Er stieß seine Zähne in mein Fleisch und trieb sie tief hinein. Brandons Hunger war groß, und mein Körper spürte sofort, dass er gefährlich werden konnte.
Kurzerhand streifte ich sein Haar zur Seite, streckte seinen Hals und biss ebenfalls zu. Seine Haut war salzig und bitter. Er zuckte erschrocken, doch meine Zähne saßen bereits tief und hielten ihn. Wir tranken mit geschlossenen Augen und versanken in einem Kreislauf aus Licht. Es war ein Gefühl, wie ich es nur ein einziges Mal mit Curtis erlebt hatte.
Wir tranken, bis sich die Wunden geschlossen hatten. Als ich mich zurücklehnte, kam unversehrte Haut zum Vorschein. Hier und da klebte ein rubinroter Tropfen, aber die Wunde war fort.
Als hätte jemand eine Tür geöffnet, strömten wieder die Geräusche der Nacht auf uns ein. Die Verbindung, die durch die Eide geschaffen worden war, kehrte langsam wieder zurück. Das Blut hatte sie gerufen. Brandon war wieder Teil meiner Camarilla, jetzt war er es wirklich.
»Danke, Meister«, flüsterte er, ergriff meine Hand und küsste meinen Puls. Ich stand auf. Brandon starrte zu mir hinauf. »Takoda hat mir geholfen, neu geboren zu werden. Im Tanz habe ich erfahren, wer ich wirklich bin. Bitte, Julius!«
Ich nickte. »Dann soll es geschehen.«
»Bei meiner Ehre gelobe ich, Brandon So’Lani Flying Crow, Treue und Gefolgschaft gegenüber meinem Meister und Quelle des Blutes Julius Lawhead, seiner Camarilla und all jenen, die ihm in Wort und Blut verbunden sind.«
Die Magie flammte auf, um Zeuge des Schwurs zu sein und den Eid zu festigen. Sie rauschte im Wind, floss in Erde und Himmel
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