Julius Lawhead 2 - Flammenmond
Oh Gott, das war gar nicht gut. Ambers Griff wurde unwillkürlich fester. »Chris, was ist los?«
Die Vampirin fauchte gefährlich, bleckte die Zähne und dann stieg ein Knurren aus ihrer Kehle, von dem Amber sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wo es herkam. Energisch fasste sie ihre Freundin an den Schultern. »Hey, dreh jetzt nicht durch! Beruhige dich. Sieh mich an, Chris!«
»Sie tun Brandon weh!«, entgegnete die Vampirin und starrte den nächstbesten Indianer wütend an.
Amber legte eine Hand an Christinas Wange und drehte deren Kopf zu sich herum. »Bleib ruhig, Chris!«
Die Vampirin schien gar nicht zuzuhören. Der Geruch von Brandons Martyrium hatte sich unter ihren Hunger gemischt und schien sie an den Rand des Wahnsinns zu treiben.
Am nahen Tanzplatz wurden unterdessen die Trommeln schneller. Amber wusste, was gleich geschehen würde. Der helle Ton einer Adlerknochenpfeife schallte über das Plateau und es dauerte nur Sekundenbruchteile, bis der Wind die Botschaft zu ihnen trug. »Er blutet!«
Christina begann sich ernsthaft gegen Ambers Griff zu wehren. Sie bleckte erneut die Zähne. »Lass mich los! Ich muss zu ihm, ich muss!«
Die ersten Indianer wurden aufmerksam und lenkten damit den Zorn der jungen Vampirin erst recht auf sich.
Für einen Augenblick glaubte Amber die Kontrolle zu verlieren. Christina würde im nächsten Moment ein Blutbad anrichten. Dann rief sie sich wieder in Erinnerung, dass sie durch die Verbindung mit Julius Macht über die Unsterbliche hatte. Sie bediente sich der Bindung nur ungern, doch in diesem Moment war ihr jedes Mittel recht. Sie hielt Christina mit aller Kraft fest, konzentrierte sich zugleich auf die Siegel und zog ein klein wenig von Julius’ Magie hindurch.
»Du wirst gar nichts tun, Chris«, sagte sie mit fester Stimme.
Christinas Gegenwehr erstarb und wurde gleich darauf durch ein heftiges Zittern ersetzt. Ihre dunkel verfärbten Augen waren auf Amber gerichtet. »Ich möchte sie alle umbringen«, hauchte sie, doch die Aggression, die Christina noch vor einer Sekunde im Griff gehabt hatte, war fort.
Amber stieß erleichtert den Atem aus. Sie hatte es geschafft. »Niemand tut deinem Freund weh, Chris. Er macht es selbst. Julius meint, der Tanz hilft ihm.«
»Lass uns hingehen«, erwiderte Christina nach kurzem Überlegen und legte Amber einen Arm um die Hüfte.
»Glaubst du, du hältst es aus?«
Christina nickte energisch. »Wenn er so tapfer ist zu tanzen, sollte ich zumindest den Mut aufbringen, ihm dabei zuzusehen, oder nicht?«
Die beiden Frauen mischten sich unter die Zuschauer. Christina blieb ruhig, doch Amber traute dem Frieden nicht. Brandon tanzte mit weit aufgerissenen Augen und starrte, den Kopf weit in den Nacken gelegt, zum Vollmond hinauf. Außer ihm bewegten sich noch zwei Männer auf dem Tanzplatz. Beide hatten sich an Armen und Rücken Adlerfedern in die Haut gesteckt. Eine ältere Frau blutete aus klaffenden Schnitten in ihren Armen. Brandon war der Einzige, der mit der Birke, die das Zentrum der Welt symbolisierte, verbunden war. Über seine Brust rannen zwei frische, rote Rinnsale und schon kündigten die Trommeln an, dass er seine Tapferkeit bald wieder auf die Probe stellen würde.
Christina sah ihn unentwegt an. Tränen traten in ihre Augen. Als ihr Freund sich dann mit rhythmischen Schritten aus dem Kreis hinausbewegte und gegen die Hölzer in seiner Brust stemmte, stöhnte sie entsetzt auf. Die Energie, die gleich darauf aus ihren Poren strömte, ließ Amber die Haare zu Berge stehen. Rasch verstärkte sie ihren Griff und war umso erleichterter, als endlich Julius auftauchte. Er war in Begleitung eines jungen Mannes, der in einigem Abstand abwartend stehen blieb.
»Christina!«
Sie fauchte ihren Schöpfer an, neigte dann beschämt den Kopf und warf sich in Julius’ Arme. »Ich ertrag das nicht«, jammerte sie, fest an seine Brust gedrückt.
In Amber regte sich Eifersucht. Sie scheuchte sie zurück. Sie hatte kein Recht mehr auf dieses Gefühl.
Julius wirkte gehetzt. Mit fahrigen Bewegungen strich er Christina über den Kopf. »Das Ritual hilft ihm, schau ihn nur an.«
Christina nickte und wischte sich trotzig die Augen. Als Julius sie ein Stück zur Seite führte, folgte Amber ihnen.
»Du musst durstig sein«, sagte er.
Christina schüttelte den Kopf. »Nein, nein, bin ich nicht.«
Der junge Mann trat zu ihnen. »Das ist Yiska«, stellte Julius ihn vor.
Amber musterte den Fremden. Er war groß und
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