Julius Lawhead 2 - Flammenmond
hoch. Etwas hatte sie geweckt. Eigentlich hätte sie gar nicht schlafen dürfen, das waren sicher nicht nur ein paar Minuten gewesen. Panik schwappte in einer heißen Welle durch ihre Glieder. Sie rieb sich die Augen und sah sich um. Sofort trieb Erleichterung den Schrecken davon. Beth lag unverändert auf der Couch. Ihr Atem ging langsam und ruhig, wie in tiefstem Schlaf.
»Kann ich reinkommen? Ist da drinnen alles in Ordnung?«, rief eine sonore Männerstimme. Es war Yiska.
»Sicher«, entgegnete Amber müde.
Sie quälte sich hoch. Ihr Rücken und ihr Hintern schmerzten. Sie musste lange dort gesessen haben. Wie lange? Sie stolperte zur Tür und öffnete. Die Sonne schien blendend hell. Amber riss die Hand vor die Augen. Yiska war mit einem Schritt im Wohnwagen. »Soll ich die Tür zumachen?«
»Nein, lass offen, ich muss wach werden. Willst du Kaffee?«, fragte sie und füllte dem Indianer eine Tasse aus der Thermoskanne.
Er sog genießerisch den Duft ein. »Ist alles okay mit den Vampiren?«
»Sie schlafen.«
Yiskas Blick fiel auf Beths Handschellen. »Ist sie gefährlich?«
»Wenn sie wach wird, vielleicht. Sie weiß nicht, was mit der Jägerin passiert ist, und sie stehen sich sehr nahe.« Amber zögerte. »Yiska, willst du dir etwas dazuverdienen?«
Er hob neugierig die Brauen. »Ich bin immer knapp mit Geld, was soll ich tun?«
»Ich muss die Vampire nach Phoenix bringen. Mir wurde geraten, nicht alleine zu fahren. Was da vorhin passiert ist, hat einige Leute verärgert.«
»Du brauchst jemanden, der dir hilft, sie zu beschützen?«
»Ja. Yiska, bitte. Ich bin mir sicher, du wirst fürstlich entlohnt.«
»Wann brechen wir auf?«
»So bald wie möglich.«
»Okay.«
Amber starrte ihn überrascht an. »Einfach so? Du sagst einfach okay und das war’s?«
»Ja.«
Sie schüttelte den Kopf. Aber mittlerweile wusste sie, dass Indianer selten viele Worte verloren.
»Da, sie wird wach.« Yiska wies auf Beth. Das grelle Licht, das durch die offene Tür hineinfiel, schien der Dienerin direkt ins Gesicht und ließ ihr braunes Haar rötlich glänzen. Sie kniff die Augen zusammen und drehte den Kopf weg.
Dann spürte sie die Fesseln, und ihr Halbschlaf war schlagartig vorbei. Sie schreckte hoch. »Claudine?«
Nach mehreren Versuchen schaffte sie es, sich aufrecht hinzusetzen, und blickte sich mit zusammengekniffenen Augen um. Amber trat einen Schritt näher.
»Beth? Du heißt doch Beth, oder? Der Jägerin geht es gut.«
Die Dienerin riss wütend an den Fesseln. »Was soll das? Wo ist Claudine, was habt ihr mit ihr gemacht?!«
»Sie schläft und sie hat dir einen Brief geschrieben, der alles erklärt«, antwortete Amber, ging zum Tisch und schob das Blatt Papier zu Beth herüber. Die Dienerin überflog die Zeilen und wurde etwas ruhiger. »Das ist ihre Schrift, aber woher soll ich wissen, dass sie nicht dazu gezwungen wurde?«
»Yiska, schließt du bitte die Tür?«, bat Amber. »Beth, deine Freundin schläft gleich neben dir in einem Sarg, möchtest du sie sehen?«
»Natürlich will ich sie sehen«, antwortete Beth kalt.
Sobald der Wohnwagen völlig verdunkelt war, öffnete Amber die Kammer mit dem Sarg und dann auch den Sarg selbst. Claudine lag mit über der Brust gefalteten Händen. Beth versuchte aufzustehen, aber mit den Fesseln konnte sie das Gleichgewicht nicht halten. Yiska stützte sie, bevor sie fiel, und sie ließ sich ohne Widerstand näher zum Sarg helfen. Der Navajo konnte seine eigene Neugier kaum verbergen. Claudine war gewiss der erste Vampir, den er in einem Sarg ruhen sah.
»Es geht ihr wirklich gut«, sagte Beth leise.
»Du kannst ja versuchen, mit ihr Kontakt aufzunehmen, damit du beruhigt bist«, schlug Amber vor.
»Nein, sie soll schlafen.«
Beths Widerstand war völlig erlahmt, und es tat Amber fast leid, die Frau so zusammengeschnürt zu haben, aber Julius’ Anweisungen waren eindeutig gewesen. Sie sollte bis zur Ankunft in Phoenix gefesselt bleiben.
»Wo ist der Vampir, den wir gejagt haben?«, fragte die Dienerin plötzlich.
»Das kann ich dir nicht verraten, Beth. Du weißt, warum.«
Roberts Befürchtungen bestätigten sich nicht, und der Tag verlief ohne Zwischenfälle. Nachdem Yiska sich mit seinem Freund besprochen hatte, war er mit Amber aufgebrochen. Beth fuhr mit ihnen im Dodge und blieb erstaunlich freundlich.
Yiska saß die meiste Zeit über schweigend auf dem Beifahrersitz und schien tief in Gedanken versunken. Amber ahnte, dass er sie etwas fragen
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