Julius Lawhead 2 - Flammenmond
die Klimaanlage aus und öffnete die Fenster. Wüstenluft strömte hinein und zerrte an ihrem Haar. Augenblicklich bekam Amber das Gefühl, dass die trockene Luft sämtliche Feuchtigkeit aus ihrer Haut sog. Es hatte lange nicht mehr geregnet. Vor einer Stunde war sie durch grünere Landschaften gefahren. In der Nähe von Flagstaff waren es endlose Pinienwälder gewesen, hier und da hatte sogar Schnee gelegen. Jetzt fuhr sie einige tausend Fuß tiefer erneut durch trockenes Buschland. Ein einziger Guss hätte ausgereicht, um die Wüstenpflanzen aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken.
»Na endlich!«, sagte Amber und nahm den Fuß vom Gas.
Im Osten stieg eine Staubwolke auf. Dort war ihr Parkplatz, und sie würde ihn nicht verpassen. Als Quelle der Staubwolke entpuppte sich ein alter Pick-up, der auf die Interstate einbog, als Amber gerade den Blinker setzte.
Das Gespann kam in einer Ausbuchtung zum Stehen.
Amber stieg aus und vertrat sich die Beine. Sie lief ein Stück in die Wüste hinein. Eigentlich mochte sie diese karge Landschaft, die ihre Schönheit erst bei näherem Hinsehen entfaltete. Zwischen verdorrten Sträuchern krochen Kakteen über den Boden. Es waren kleine Gewächse, die ihre ovalen Triebe wie schrumpelige Finger über den Sand ausbreiteten. Amber zupfte eine abgestreifte Schlangenhaut aus den Dornen und schlenderte mit ihrem Fundstück zurück zum Wohnwagen.
Es wurde Zeit. Wie jeden Tag, seitdem sie Julius’ Siegel empfangen hatte, wurde Amber zur Dämmerung von einer merkwürdigen Unruhe erfasst. Als würde ihr Herz plötzlich lauter schlagen, ihr Blut heißer fließen. Ihre Gedanken kreisten unweigerlich um den Vampir.
Die Sonne war mittlerweile zur Hälfte hinter einer Hügelkette versunken, deren Erhebungen sich wie weiche graue Stofffalten gegen den Horizont abzeichneten. Amber trat in den Schatten des Wohnwagens und schloss die Tür auf.
Julius’ Seele kam. Amber spürte eine Berührung, sanft wie Atemluft, die ihr Inneres streifte, den Punkt, an dem die Siegel verborgen waren, und erst dann fühlte sie sich wieder vollständig.
KAPITEL 12
Ich kehrte in dem Augenblick in meinen Körper zurück, als Amber den Sarg öffnete. Es war noch viel zu früh. Ich wollte nicht zurück, wollte niemandem erklären müssen, was ich über Brandon erfahren hatte, und vor allem wollte ich Christina nicht begegnen.
Und doch konnte es mir nicht schnell genug gehen.
Ich schlug die Augen auf und entdeckte Ambers erschrockenes Gesicht. Sie hatte durch die Siegel erahnt, was ich fühlte.
»Was ist passiert?«, fragte sie auch gleich.
»Ich hatte Kontakt zu Brandon, Moment …«
Der erste Herzschlag tobte durch meinen Körper.
Nach und nach konnte ich die Finger wieder fühlen, ein Kribbeln in den Spitzen erst, dann ein Spannen der Muskeln. Magie trieb den Tod aus meinem Körper. Ich richtete mich auf und küsste Amber flüchtig.
»Was ist mit Brandon?«
»Coe hat ihn gefoltert«, antwortete ich bitter.
»Was?«
»Nicht bestraft oder eingesperrt oder weiß Gott was. Gefoltert! Wir müssen uns beeilen. Coe bringt es fertig und zerstört ihn, bevor wir ihn auslösen können.«
Ich schlüpfte in meine Schuhe. Amber folgte mir hinaus.
Ich fluchte und lief im Schatten des Wohnwagens auf und ab. Es war noch zu hell für mich. Wütend schlug ich mit der flachen Hand gegen die Metallhülle. »Verdammt!«
»Was hat er ihm angetan?«
Ich schnellte herum und fasste Amber an den Schultern.
»Das willst du nicht wissen, hörst du? Das willst du nicht!«
Ich schloss die Augen und versuchte meine Wut in gemäßigte Bahnen zu lenken. Ein kühler Kopf würde in den Verhandlungen ausschlaggebend sein. Minuten verstrichen, die Sonne verschwand.
Schließlich trat ich aus dem Schutz des Wohnwagens in das letzte Abendlicht. Es wärmte meine Haut unangenehm, aber es brannte nicht mehr. »Ich erzähle dir, was ich gesehen habe. Aber auf der Fahrt. Wenn Christina aufwacht, wird sie hungrig sein, und ich möchte keine Ader öffnen müssen für sie.«
»Wie lange schläft sie noch?«
»Zwanzig Minuten, vielleicht eine halbe Stunde, wenn wir Glück haben. Es steht noch immer Licht am Himmel.«
Ich setzte mich ans Steuer.
Wenig später waren wir zurück auf der Interstate, und Ambers erwartungsvoller Blick ruhte auf mir. Als ich mich gerade durchgerungen hatte, mein Schweigen zu brechen, spürte ich Brandon erwachen.
Er ist noch immer mein, dachte ich grimmig, doch dann empfing ich seine rasende Angst und danach
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