Julius Lawhead 2 - Flammenmond
hat uns so gutgetan, aus all dem mal rauszukommen. Und Brandon war so anders, Amber. Er hat endlich angefangen von sich zu erzählen. Weißt du was?«
Amber schüttelte den Kopf.
»Den Handelsposten hier gab es schon vor hundert Jahren. Stell dir vor, Bran hat hier gearbeitet, da war er noch so klein!« Christina machte eine vage Handbewegung auf Höhe ihrer Brust. Amber ließ sich von ihrer Freundin in einen anderen Flur ziehen.
Sie war schlichtweg froh, dass Christina nicht mehr weinte, doch als sie all die alten Fotografien entdeckte, war auch ihr Interesse geweckt.
»Schau, das ist er.«
Es war ein gut erhaltenes Foto. Im Hintergrund war das Hotel, damals noch ein flaches Blockhaus mit einem kleinen »Trading Post«-Schild. Davor ein schmächtiger Junge, der ein Packpferd am Zügel hielt. Halblanges Haar fiel ihm in die Stirn. Sein braungebranntes Gesicht sah schrecklich ernst aus.
»Das ist er, hundertprozentig«, sagte Amber.
»Er ist der Einzige, der nicht lächelt auf dem Bild.« Christina wischte sich energisch eine Träne von der Wange.
»Was tut dieser verdammte Coe nur mit ihm, während er uns hier warten lässt?«
»Wir holen ihn da raus, komme, was wolle. Ich meine, Julius hat sich mit Daniel Gordon angelegt, um mich zu retten, und der war zehnmal stärker als er. Brandon ist Julius’ bester Freund, oder nicht?«
»Doch, das ist er.« Christina rang sich ein Lächeln ab und wollte sich abwenden, als Amber sie an der Hand festhielt. »Warte, dein Brief …«
»Oh Gott, ja. Es tut mir leid, Amber. Ich hätte mich nicht einmischen sollen. Es ist eure Sache …«
»Nein, du hast recht. Julius ist … es ist schwierig. Vielleicht brauche ich wirklich jemanden zum Reden. Wenn das alles hier vorbei ist …«
»Entschuldige, ich bin im Moment nicht die beste Zuhörerin.«
»Schon okay. Holen wir erst einmal Brandon da raus, dann sehen wir weiter.«
Die Zeit kroch dahin. Keiner von uns sprach. Wir waren die einzigen Gäste im Kaminzimmer der Lodge und blieben es auch zu fortschreitender Stunde.
Amber aß ihren Salat und knabberte an dem frittierten Brot, das kalt geworden war. Niemand kam, um abzuräumen.
Ich hatte seit einer Weile nicht mehr auf die Uhr gesehen, da erklangen mit einem Mal Schritte. Zu meiner Enttäuschung waren es die eines Menschen.
Ein alter Indianer in der Uniform eines Nachtportiers wankte auf müden Beinen zu uns. Er hielt einen Umschlag in der Hand.
»Mr Lawhead? Dieser Brief wurde für Sie abgegeben!«
Ich sprang auf. Ein Geruch versetzte mich in höchste Alarmbereitschaft. Es war Blut, Brandons Blut!
Ich riss ihm den Umschlag aus der Hand und starrte darauf. »Wann?«
Der Portier griff mit unerträglicher Langsamkeit in seine Hosentasche und zog eine alte Uhr hervor, an der das Armband fehlte. »Nicht ganz zwei Stunden.«
»Und warum erhalte ich die Nachricht erst jetzt? Sie wussten doch die ganze Zeit, dass wir hier sind!«
Der Alte musterte mich aus zusammengekniffenen Augen. »Ich habe Ihnen den Brief nicht eher gegeben, weil mich der Gentleman darum gebeten hat, ihn erst um diese Uhrzeit auszuhändigen, und das habe ich hiermit getan.«
Ich starrte ihn ungläubig an. Deshalb war Darren hergekommen, nur deshalb, und er hatte dermaßen nach Angst gestunken, dass ich ihm die Lüge zu keinem Augenblick angemerkt hatte. Da er den Brief nicht hatte abgeben können, ohne dass ich seine Präsenz spürte, war er kurz im Kaminzimmer erschienen.
Ich riss den Umschlag auf. Auf dem Papier waren dunkle Flecken.
»Kann ich gehen, oder wünschen Sie noch etwas?«, fragte der Portier.
Ich schüttelte den Kopf, während ich bereits las.
Um sein Trinkgeld betrogen, schlurfte der Alte davon.
»Ist das Blut? Ist das Brandons Blut?«, fragte Christina hysterisch. Ich fasste sie an der Schulter und hielt den Brief außer Reichweite. Christina war den Tränen nahe, ihre Nasenflügel bebten.
»Ja, das ist sein Blut, aber nur wenig. Reiß dich zusammen.«
»Was steht in dem Brief?«, fragte Amber und legte ihrer Freundin einen Arm um die Schulter.
»Ich lese vor«, sagte ich leise und schaute mich noch einmal kurz um. Wir waren wirklich allein. Schon beim ersten Überfliegen des Textes hatte sich mein Herzschlag beschleunigt.
»An Julius Lawhead, den Meisterjäger von Los Angeles,
wenn Sie wirklich so gut sind, wie Ihr Ruf mich glauben machen will, wird es für Sie sicherlich ein Leichtes sein, dieser Fährte zu folgen. Ich erwarte Sie und Ihre Begleiterinnen in
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