Julius Lawhead 2 - Flammenmond
die Nacht. Brandon zuckte zusammen. Seine Angst kehrte zurück.
»Das ist Coe«, flüsterte er, »ich muss fort.«
»Brandon, warte, zeig mir, wo ihr seid, damit ich sie finden kann!«
Er richtete sich auf und drehte sich einmal im Kreis. Ich sah durch seine Augen und prägte mir jeden Hügel und jeden Felsen ein, dann löste ich mich aus seinem Verstand.
Brandon hob den ausgebrochenen Turmalin auf, und unsere Bindung schwand, während er die Fassung um den Stein wieder zurechtbog. Dann lief er los.
Der Wagen stand schief im Straßengraben, und Christina beobachtete mich vom Beifahrersitz aus wie ein ängstliches Kaninchen die Schlange.
»Ist alles okay?«, fragte sie vorsichtig.
Ich zog sie in meine Arme und drückte ihr einen raschen Kuss auf die Stirn.
»Ja, ja, alles okay. Du kannst stolz auf Brandon sein! Sehr stolz.«
Christina war starr vor Schreck. Schlagartig wurde mir klar, dass ich ohne darüber nachzudenken in die Bindung zu Brandon getaucht war. Der Wagen hätte sich überschlagen können!
»Chris, habe ich uns beide gerade fast umgebracht?«
Die Vampirin schüttelte den Kopf. »So schlimm war es nicht, du warst nur auf einmal fort.«
»Trotzdem, danke.« Ich drehte den Zündschlüssel.
»Und jetzt?«
»Jetzt holen wir Amber.«
»Hat Coe sie gehen lassen?«
»Nein, er glaubt, Brandon hätte sie umgebracht.«
Christina schnappte entsetzt nach Atem. »Und er hat …?«
»Er hat es fast getan, aber nur fast.«
Der Wagen stand gefährlich schief. Das linke Hinterrad hing in der Luft. Den Hang hinauf kamen wir so nicht mehr. Also quälte ich den Dodge einige hundert Meter durch dichtes Strauchwerk. Zersplitterte Äste bedeckten bald Front und Motorhaube. Wir hinterließen eine Schneise der Verwüstung. Sobald wir zurück auf der Piste waren, trat ich aufs Gas.
»Es gibt erloschene Vulkane in der Gegend, wo sie Amber zurückgelassen haben. Hilf mir suchen!«
»Berge?«, fragte Christina erstaunt.
»Nein. Kleine Hügel. Schau, ob du sie ausmachen kannst.«
»Woher soll ich denn wissen, wie erloschene Vulkane bei Nacht in der Wüste aussehen, Julius? Ich bin in meinem Leben kaum aus L.A. rausgekommen!«
Wir brauchten noch fast zwanzig Minuten, bis mir die Landschaft auf einmal bekannt vorkam. Der Sand war rostrot und dazwischen lagen verstreut dunkle Lavabrocken. Es fand sich kaum noch Vegetation, nur totes gelbes Gras und vereinzelte Büsche und Kakteen.
Wir sprachen die restliche Fahrzeit nicht mehr. Als wir uns der gesuchten Stelle näherten, fuhr ich langsamer und wurde zunehmend nervös. Draußen war es so dunkel, dass es selbst für unsereins schwierig wurde, etwas zu erkennen. Wolken waren aufgezogen, und nur dem Mond gelang es, hin und wieder aus der dichten Schicht hervorzuscheinen. Ich hielt den Wagen an und öffnete die Fenster. Christina reckte ihre Nase in den auffrischenden Wind.
»Nichts«, sagte sie.
In diesem Moment heulte ein Coyote in die Nacht. Zwei andere antworteten.
Gedämpft von der Wirkung des Turmalins, konnte ich meine Dienerin spüren. Noch lebte sie und lag irgendwo da draußen, aber jetzt wurde es auch noch kalt. Ihr lief die Zeit davon.
Ich fuhr langsam weiter, dann trug der Wind plötzlich den Duft von frischem Blut mit sich.
»Brandon!« Christina riss die Tür auf und sprang aus dem fahrenden Wagen. Sie stolperte, fiel, raffte sich wieder auf und rannte weiter.
»Chris, warte!« Ich trat auf die Bremse, nahm eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach und folgte ihr in die tintenschwarze Dunkelheit. Sie war nicht weit gelaufen, nur ein Stück die Piste hinunter. Als ich sie erreichte, kniete sie auf dem Boden und zerrieb Sand zwischen den Fingern. Blut. Es war noch nass und hatte den Sand zu kleinen Plättchen verklebt. Im Licht der Taschenlampe zeichnete sich ein größerer Fleck ab und eine Tropfspur, die dort abbrach, wo die Reifenspuren begannen.
»Coe hat sich die Energie zurückgeholt, die Brandon aus Ambers Blut gezogen hat, Chris.«
Ich berührte Christina an der Schulter, die geistesabwesend ihre Finger sauber leckte.
»Komm, hilf mir Amber suchen.«
Sie stand langsam auf und starrte mich an. Der Schmerz in ihren Augen tat mir weh.
»Er war gerade noch hier«, sagte sie leise. Ich erwiderte nichts und lief los.
Die Taschenlampe erleuchtete den schmalen Pfad. Hier und da entdeckte ich Ambers kleine Fußabdrücke. So schnell ich konnte, rannte ich den Pfad entlang, der hinauf zu den dunklen Vulkankegeln führte. Der Wind trug Ambers
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