Julius Lawhead 2 - Flammenmond
sie abgesehen. Amber zitterte und schämte sich dafür, doch die Angst ließ sich nicht aufhalten. Sie kam tief aus ihrem Inneren und kroch Zentimeter um Zentimeter ihren Rücken hinauf.
Coes Gesicht verzog sich zu einem bösartigen Grinsen, während er die Ecken seines Schnurrbartes mit den Fingern seiner Linken zu akkuraten Spitzen drehte. In der Rechten hielt er noch immer die Kette, an der er Brandon aus dem Wagen gezerrt hatte. Der Vampir hockte zu seinen Füßen, hielt den Mund leicht geöffnet und leckte sich die aufgesprungenen Lippen. Amber musterte seine rasiermesserscharfen Fänge und fragte sich, ob sie immer schon so groß gewesen waren oder ob ihre Angst sie größer erscheinen ließ.
Coe folgte ihrem Blick. Er ruckte an der Kette, um Brandons Aufmerksamkeit zu erhalten.
Der Gepeinigte keuchte, als das Eisen gegen seine Kehle schlug, und rollte die Augen unterwürfig zu seinem Schöpfer.
»Meine liebe Frau denkt, du wärst hungrig. Hast du Hunger, Indianer?«
»Ja, Meister«, würgte Brandon hervor und sein gieriger Blick wanderte zu Amber, die sich im Griff des Dieners wand.
»Möchtest du ihr Blut trinken bis zur Neige, bis zum Rausch?«
»Bitte.« Brandon duckte sich tief, bis seine Stirn den Boden neben Coes Füßen berührte. »Lasst mich trinken, Meister, bitte, ich bin so hungrig.«
Coe zog an der Kette, bis Brandon wieder aufrecht saß, dann tätschelte er ihm den Kopf, als liebkose er einen Hund. »Ich glaube fast, der Wilde ist endgültig gezähmt.«
Judith lachte und die anderen fielen mit ein.
Aus Brandons Augen blickte das Raubtier hervor. Coe hatte das, was in Brandon noch menschlich gewesen war, mit Folter vertrieben, bis nur noch ein willenloses Gefäß für den Hunger blieb. Jetzt witterte er nach Ambers Angst und zerrte an der Kette. Sein tierhaftes Verhalten vergrößerte Coes Triumph noch weiter.
»Lass sie los!«, befahl er seinem Diener.
Plötzlich war Amber frei.
Sie wandte sich unsicher um. Niemand hielt sie auf, aber es war auch niemand da, der ihr helfen konnte. Rings um sie war nur die schwarze Unendlichkeit der Wüste und über ihr ein teilnahmsloses Sternenmeer.
»Ich finde, damit alles fair bleibt, geben wir Miss Connan einen kleinen Vorsprung, dann lassen wir den Hund von der Leine.«
Amber schaute in Brandons hungrige Augen und schüttelte den Kopf.
»Das können Sie nicht tun, das dürfen Sie nicht. Der Rat wird Sie verurteilen, er wird …«
»Was wird der Hohe Rat tun, Miss Connan? Wissen Sie das wirklich?«
»Er wird …«
»Ich werde Ihnen erklären, was passiert. Wenn Lawhead mich tatsächlich verklagen sollte, dann wird mir der Rat be fehlen, den Vampir auszuliefern, der den Mord begangen hat. Entweder das oder ich darf ihn selbst hinrichten.« Coe riss an der Kette. »Und damit tue ich ihm sogar noch einen Gefallen, oder? Sag Miss Connan, was dein sehnlichster Wunsch ist.«
Amber starrte Brandon irritiert an, dessen verlorener Blick sich langsam klärte.
»Ich will sterben«, raunte er.
»Er wird Ihnen mit Freude die Kehle zerfetzen. Wenn er Pech hat, wird Ihr Meister noch nicht einmal Anklage erheben, sondern den Indianer aus Rührseligkeit trotzdem auslösen, und dann kann er die nächsten hundert Jahre mit seiner Schuld leben.«
»Sie sind ein Monster!«, schrie Amber, dann gab ihr Coes Diener einen Stoß. Sie strauchelte und zerstach sich die Hände an einem Dornenbusch.
»Los, vielleicht haben Sie sogar eine Chance. Wenn Sie nicht laufen, haben Sie schon verloren. Der Indianer wird heute Nacht Ihr Blut trinken, sei es hier oder irgendwo in der Wüste.«
Judith lachte schrill. »Ich würde sie ja auch nehmen, aber ich hänge an meinem Dasein.«
Bevor Coe sie noch einmal stoßen konnte, rannte Amber los. Direkt vor ihr tat sich ein Pfad auf. Sie drehte sich nicht mehr um. Die Sterne und der fast volle Mond gaben genug Licht, und je weiter sie der Helligkeit der Autoscheinwerfer entfloh, desto besser konnte sie den Boden erkennen. Steine und abgebrochene Äste stachen in ihre nackten Füße.
Sie hatte am Vortag miterlebt, wie Julius der Blutspur gefolgt war. Er hatte sie nur einmal verloren. Brandons Spur war alt gewesen, ihre fast noch warm, und sie lief barfuß. Bald verschwand auch das letzte Licht der Autos hinter einem kleinen Hügel, und vor Amber entfaltete sich die mondblaue Wüste.
Ich werde hier sterben, und ich werde alleine sein, fuhr es ihr durch den Kopf.
Der Turmalin in ihrem Magen war groß und kalt. Ihn
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