Julius Lawhead 2 - Flammenmond
sicher gewesen, dass sie sterben würde, und jetzt saß sie hier im Wagen und es ging ihr bis auf die Bauchschmerzen gut.
Der Turmalin saß wie eine fette, kalte Spinne in ihrem Magen und haschte mit seinen langen Beinen nach der Energie, die ihr Julius’ Blut gegeben hatte, aber er konnte nur einen Teil fassen. Der Vampir hatte ihn überlistet.
Amber hatte so etwas noch nie gefühlt. Ihre Haut war eisig und taub, fast als sei sie schon zur Hälfte gestorben. Die Adern hingegen brannten.
Der Regen wurde heftiger und klopfte auf das Blechdach. Amber drückte ihre Stirn fest an die kühle Scheibe und überließ sich dem Rauschen. Die Straße war zum See geworden, die hölzernen Unterstände verloren ihre Konturen wie Linien nasser Aquarellfarbe. Es donnerte, und durch das Dunkel zuckten erste Blitze.
Amber hatte ihr Zeitgefühl verloren. Sie wusste nicht einmal, ob sie, seitdem die Vampire sie verlassen hatten, kurz ohnmächtig geworden war.
Der Wohnwagen ruhte als heller Klecks in all der zerfließenden Schwärze, und Amber starrte wie gebannt hinüber. Irgendwann mussten sie doch kommen.
Sie begann sich Sorgen zu machen.
Es war merkwürdig, wie schnell sie sich daran gewöhnt hatte, mit Julius in geistiger Verbindung zu stehen. Normaler weise musste sich Amber einfach auf die Siegel konzentrieren und seinen Namen denken und schon antwortete er ihr, aber das funktionierte jetzt nicht. Dafür hatte Coe gesorgt.
Der Turmalin war furchtbar.
Amber presste ihre Hände auf den Unterleib und fluchte. Dann hörte sie endlich Schritte, blickte auf und entdeckte zwei dunkle Umrisse, die sich aus dem Regen lösten und schnell näher kamen. Die Vampire rannten.
Im nächsten Moment riss Julius die Tür auf, und Amber wäre beinahe hinausgefallen.
Julius fing sie an der Schulter ab und setzte sich neben sie. Er war klatschnass. Die Locken klebten ihm im Gesicht, der Stoff seines Shirts umschloss den Oberkörper wie eine zweite Haut. Christina war hastig eingestiegen und streifte sich Tropfen aus dem Haar. Amber meinte zu erkennen, dass sie geweint hatte, doch das konnte auch der Regen sein.
»Geht es dir besser?«, fragte Christina.
»Ja, aber in mir ist ein wildes Durcheinander.« Amber lächelte.
»Jetzt fahren wir erst mal zurück zum Trading Post, und du kannst dich in der Lodge ausruhen«, meinte Julius, während Christina den Wagen startete und ihn wieder zurück auf die Straße lenkte.
Zwischen den beiden musste etwas vorgefallen sein. Amber spürte das. Sie kannte Christina mittlerweile gut. Es war ihre Art zu reagieren, wenn Julius etwas befohlen hatte, womit sie nicht einverstanden war.
Aber Amber war zu erleichtert und zu schwach, um sich über einen Streit zwischen den beiden Gedanken zu machen. Sie war froh, dass sie überhaupt noch lebte, und im Moment war ihr in erster Linie wichtig, sich in Julius’ Arme zu kuscheln. Die Haut des Vampirs war nach dem Stopp bei dem Wohnwagen angenehm warm geworden.
Amber legte ihren Kopf an seine nasse Brust. Julius’ Hemdtasche beulte sich. Ungefragt griff sie hinein und zog ein breites Armband mit gefassten Türkisen heraus. Jeden Stein durchzog ein feines schwarzes Liniengeflecht.
»Für Brandon«, erklärte Julius und schloss seine Hand um das Schmuckstück. »Die Menschen im Wohnwagen waren Silberschmiede.«
»Und dann hast du …«
»… es eingesteckt und Geld dagelassen.«
»Was ist mit Brandon passiert?«, fragte Amber ernst.
Julius seufzte. »Coe hat ihn zurückgerufen.«
»An der Stelle, wo sie geparkt hatten, war überall Blut«, ergänzte Christina bitter.
»Morgen Abend fahren wir auf direktem Weg nach Page. Es ist nicht mehr weit. Coes Clan hat dort seine eigentliche Zuflucht. Es ist ihr Hauptsitz, sie werden ihn sicher aufsuchen.«
Amber schloss die Augen, dämmerte vor sich hin und lauschte den wunderbaren Geräuschen von Regen auf der Straße, dem gleichmäßigen Quietschen der Scheibenwischer und dem Herzschlag ihres Freundes.
Julius’ Brustkorb hob sich einige Male, als er das Fenster öffnete und den Geruch des Gewitterregens tief einatmete. Er liebte diesen besonderen Duft genauso sehr wie sie.
»Der Regen wäscht die Spuren fort«, sagte Christina.
Amber fühlte wie Julius Luft holte, um zu antworten, dann aber schwieg. Sie öffnete die Augen. Ein Durcheinander aus Drähten und Pfeilern huschte draußen vorbei. Im gleißenden Licht eines Blitzes erkannte sie die alte Hängebrücke, die direkt vor Cameron über die Schlucht
Weitere Kostenlose Bücher