Julius Lawhead 2 - Flammenmond
sei erdrückend. Ein Todesurteil ist sicher. Ich bitte dich, in der Nähe zu bleiben, bis Steven wieder frei ist.«
»Natürlich.«
Wärme ergoss sich durch die Bindung. Es war Curtis ’ Art, sich zu verabschieden. Mit dem wohligen Gefühl von Geborgenheit sank meine Seele in Schlaf.
KAPITEL 26
Amber ließ sich auf den Stuhl fallen, starrte auf die offene Bodenluke und nippte an ihrem viel zu starken Kaffee. Julius hatte recht. Sie würde nicht schlafen können, aber das hatte sie auch gar nicht vor.
Die Bilder, die er mit ihr geteilt hatte, verfolgten sie. Die Angst. Die absolute Hilflosigkeit und Brandons Gewissheit, dass es nichts gab, was er tun oder sagen konnte, um Coe zu besänftigen. Und der Vampir empfand die Schande schlimmer als die Gewalt, die ihm angetan worden war. Ob sie die Augen schloss oder krampfhaft geöffnet hielt, immer wieder tauchte Coes sadistisches Grinsen auf, der Hunger, mit dem er Brandon verfolgte, die Freude, die er empfand, wenn der Indianer litt. Durch Brandons Erinnerungen sah sie den Diener Conway vor sich, der ihre Hände festhielt, die ja nicht ihre waren, und empfand die schreckliche Angst vor dem Vampir, der irgendwo hinter ihr stand, die Brandon empfunden hatte.
Amber presste die Hände auf die geschlossenen Augen und die Bilder stoben in einem Funkenregen auseinander. Hass lag als bitterer Geschmack auf ihrer Zunge und ließ sich nicht hinunterwürgen. Das Gefühl war wie Gift durch die Siegel geflossen. Es brannte. Es hatte langsam begonnen, draußen auf dem Parkplatz, und breitete sich aus wie ein Schwelbrand.
Irgendwo in ihrem Herzen wusste Amber, dass dieses Gefühl, das an Wahnsinn grenzte, nicht ihres war, doch dann hatte der Hass auch diesen Gedanken zu Asche verbrannt. Rache!, schrie die Stimme in ihr, Rache für die Schande, die ihr angetan worden war.
Ambers Entscheidung war gefallen.
Steven würde nicht bei Coe bleiben müssen, keine einzige Nacht, und der Meistervampir würde auch keinen weiteren Abend erleben.
Nathaniel Coe musste sterben.
Wenn der Rat die Verurteilung des alten Vampirs beschloss, war er vogelfrei. Jeder würde ihn töten dürfen und ungestraft davonkommen, auch Amber. Und von ihr durfte Coe keinen schnellen, sauberen Tod erwarten! Keinen Pflock durchs Herz, wie Julius es sich vorstellte. Nichts dergleichen. Coe fürchtete zwei Dinge, Kreuze und Feuer, und beides würde er von ihr bekommen. Woher sie dieses Wissen hatte, war ihr nicht klar. Sie versuchte krampfhaft, sich zu entsinnen, an ein Gespräch mit Julius, an eine geteilte Erinnerung, doch da war nichts. Ehe sie weitergrübeln konnte, wuchs der fremde Hass in ihr um ein weiteres Quäntchen und brannte jegliche Skrupel davon.
Getrieben von dem teuflischen Feuer, das von ihr Besitz ergriffen hatte, fuhr Amber durch das erwachende Örtchen Page und hielt Ausschau nach Kirchen. Zuerst hatte sie nach kleinen mexikanischen Läden gesucht, von denen es in L.A. Hunderte, wenn nicht sogar Tausende gab. In Silverlake, ihrem Heimatviertel, lag einer neben dem anderen und jeder hatte Dutzende Silber- und Holzkreuze zur Auswahl. In Page gab es jedoch allenfalls Touristenläden und Wassersportanbieter.
Schließlich hielt sie an einem kleinen Pfandgeschäft und fand, was sie suchte. Der alte Mann, der den Laden betrieb und anscheinend gerade erst geöffnet hatte, reagierte erstaunt, als sie nicht nur eines, sondern gleich alle sechs der angebotenen Kreuze kaufen wollte, und machte ihr einen guten Preis.
Ambers anfängliche Aufregung war kühler Berechnung gewichen. Julius hatte ihr einmal von dem Gefühl erzählt, das er mit dem Töten verband.
Er hatte es den stillen Raum genannt. Einen Ort tief in ihm, den angeblich jeder besaß und dessen Tür sich nur in Extremsituationen auftat. Die meisten Menschen betraten ihren wohl niemals. Ambers eigener stiller Raum war nun mit Gewalt geöffnet worden, und jetzt gab es für sie kein Zurück mehr.
Ambers nächster Weg führte zu einem Trailerparkplatz, der direkt am Ufer des Lake Powell gelegen war. Sie hatte ihn schon auf der Rückfahrt von Coes Villa erspäht. Die Straße, die sich in weiten Kurven einen Berg hinunterwand, hatte guten Ausblick auf den spiegelglatten Stausee geboten. Von dort oben hatte er falsch und künstlich ausgesehen. Ein See mitten in der Wüste, ein blaues Tuch, verloren zwischen Felsen und Sand, ohne ein einziges bisschen Grün.
Amber kaufte am Eingang des kleinen Parks ein Ticket und steuerte das Gespann dann fast
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