Julius Lawhead 2 - Flammenmond
das Messer aus der Schiene an ihrem Unterarm und rammte es dem überraschten Mann mit beiden Händen in den Bauch. Conway starrte sie fassungslos an.
Ambers Gefühle waren wie ausgeschaltet. Konzentriert stieß sie die Klinge bis zum Heft in den Körper. Die Wucht ließ Conway nach hinten taumeln. Er zog Amber mit sich.
Die Tür schlug auf, und die Hand des Dieners kratzte auf der Suche nach Halt über das Holz, während er versuchte, der Angreiferin den Eintritt zu verwehren.
Statt die Tür aufzudrücken, legte Amber jedoch ihre ganze Kraft in das Messer. Sie winkelte die Klinge an und riss sie höher. Conway grunzte und verlor den Halt an der Tür. Amber hörte nicht auf die Schmerzenslaute. Der warme Körper des Mannes drückte gegen ihren Fingerknöchel, und das Blut lief als pulsierende, glitschige Flüssigkeit über ihre Hände.
Dann erwachte Conway aus seiner Wehrlosigkeit. Er griff nach seiner Waffe und ließ sich fallen.
Amber duckte sich hinter die Tür. Der erste Schuss krachte, und die Kugel bohrte sich ins Holz. Splitter flogen umher.
Amber langte unter den Rucksack und zog Julius’ Waffe. Die Glock lag schwer in ihrer Hand.
»Benjamin!«, schrie Conway plötzlich. Sein Schrei klang, als ob er an irgendetwas zu ersticken drohte. Sie musste ihn töten, bevor dieser Benjamin auftauchte!
Amber trat aus der Deckung und feuerte. Ein Mal, zwei Mal. Sie hatte nicht gut gezielt, doch die Kugeln bohrten sich aus nächster Nähe in Conways Körper, und die Wucht presste seine Schultern in den Boden. Wieder schrie der Diener auf. Er feuerte weitere Kugeln in den Türrahmen, dorthin, wo Amber noch vor einem Augenblick gestanden hatte. Conway zuckte und spuckte Blut, seine Beine traten Luft.
Warum starb er nicht endlich? Dann erinnerte sich Amber an Julius’ Worte. Ein Diener lebte so lange wie sein Herr.
Amber atmete tief ein, bis ihre Lungen zu bersten drohten, und stieß die Tür auf. Mit einem Satz war sie drinnen, trat die Pistole aus Conways Hand und entleerte ihr Magazin in den Kopf des Dieners. Sie sah, wie eines der grünen Augen verlosch, wie seine Schläfe aufplatzte und eine Kugel den Kiefer zertrümmerte.
Die Bilder aus Brandons Erinnerungen überlappten sich mit der Gegenwart wie ein unvollständiges Spiegelbild. Conways Gesicht, das lachte, Conways Mund, der Obszönitäten ausspie und Conways Gesicht, das sich in eine blutige Masse verwandelte.
Das Magazin klickte, die Waffe war leer, doch Ambers Finger drückten immer weiter auf den Abzug. Sie war wie in einem Rausch.
Schließlich kam sie zur Besinnung. Conways geschundener Körper und die plötzliche Erkenntnis, dass sie dieses Blutbad angerichtet hatte, ließ sie würgen. Das schrecklich flaue Gefühl in ihrem Magen mischte sich mit dem Todesgeruch zu einem widerlichen Cocktail.
Amber brach in die Knie. Ihr Magen krampfte. Sie ließ die Pistole fallen und presste beide Hände auf den Unterleib.
In ihrem Kopf explodierten stumme Schreie. Sie wusste nicht, ob sie wirklich schrie, denn noch schmerzten ihre Ohren von der Lautstärke der Schüsse. Ein hohes Piepen durchbrach die Taubheit. Der Brechreiz schüttelte sie. Jedes Mal, wenn sie sich vorbeugte und dem zerfetzten Körper näher kam, stieg neue Übelkeit in ihr auf.
Sie schwankte, schloss die Augen und versuchte sich zu sammeln. Der Geruch blieb, aber sie gewann langsam die Fassung zurück.
Als Amber schließlich mit weichen Knien aufstand, blickte sie in das Gesicht von Darrens Diener. Sie riss die Pistole hoch und drückte den Abzug. Klick und nichts.
Der Mann zuckte nicht einmal. Er musste schon eine ganze Weile unbemerkt dort gestanden haben, lange genug, um zu wissen, dass ihre Munition aufgebraucht war.
Amber ließ ihn nicht aus den Augen, fischte einen Klipp aus der Hosentasche, tauschte ihn aus und lud durch.
Der Diener hob langsam die Hände und faltete sie über dem Kopf zusammen. Amber hatte die Waffe auf ihn gerichtet und hielt sie mit beiden Händen. Zu ihrem eigenen Erstaunen zitterte sie nicht, sondern starrte den Fremden über den Lauf der Pistole an. Ihre Beine waren noch immer zittrig, und ihre Angst saß als eisiges, lauerndes Tier in ihrem Inneren. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie aufstehen konnte.
»Wollen Sie mich auch erschießen, Miss Connan?«, fragte der Mann mit einer angenehmen Tenorstimme.
Amber bemerkte frische Verbände, die seine Unterarme wie Schweißbänder zierten.
»Haben Sie denn gar keine Angst?«, gab sie zurück. Ihr fiel auf,
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