Jung, blond, tot: Roman
so fit sein und so frisch aussehen konnte. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, er beobachtete sie lange und nachdenklich.
»Warum?« fragte er zum hundertsten oder tausendsten Mal.
»Warum was?« fragte sie naiv zurück und packte Schulbrot ein.
»Warum um alles in der Welt tust du das?« »Warum tue ich was?«
»Du weißt genau, wovon ich rede!« Seine Stimme war eine Spur lauter und schärfer geworden. »Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Für Rätsel ist es einfach noch zu früh.«
»Oh, mein Gott, tu doch um Himmels willen nicht so verdammt unschuldig! Wo warst du heute nacht? Du bist inzwischen schon fast jeden zweiten Abend weg! Wie soll das weitergehen?«
Sie drehte sich um, blickte ihn unschuldig an. »Ich war ein bißchen aus, na und? Mir fällt eben momentan die Decke auf den Kopf!« »Dir fällt also momentan die Decke auf den Kopf! Dieses Momentan ist bei dir ja ein ganz schön dehnbarer Begriff!« höhnte er. »Was meinst du wohl, was mir alles auf den Kopf fällt?!« Er atmete hastig, sein Gesicht war rot angelaufen, er spürte sein Herz bis in die Schläfen pulsieren. »Habt ihr wenigstens ein Kondom benutzt?« fragte er beißend.
»Mußt du gleich weg?« fragte sie ausweichend, drehte ihm wieder den Rücken zu. »Oh, natürlich, darauf bekomme ich ja nie eine Antwort von dir! Habt ihr oder habt ihr nicht?« »Ja, ja, ja, verdammt noch mal, wir haben! Zufrieden?« Sie schloß die Augen, atmete hastig, krallte ihre Finger um die Arbeitsplatte, legte den Kopf in den Nacken. »Es tut mir leid, wirklich, es tut mir leid!«
»Wie oft du schon gesagt hast, daß es dir leid tut! Von leid tun allein ändert sich aber nichts. Ich bin am Ende meiner Kräfte! Und im Präsidium zerreißen sie sich die Mäuler!« »Präsidium, Präsidium! Du denkst immer nur an dein Scheißpräsidium! Und was ist mit mir? Wann sehe ich dich denn einmal? Und wenn ich dich sehe, bist du müde. Wie lange ist es her, daß wir etwas gemeinsam unternommen haben?« »Ich ernähre die Familie, und ich treibe mich nicht rum! Hast du Grund, dich zu beklagen? Außerdem, was sollte ich denn sonst tun? Ich bin Polizist, und das werde ich auch bleiben.« Er stand auf, ging zu ihr - versöhnlicher Blick, er legte seine Hand auf ihre. »Ich habe nie große Anforderungen an das Leben gestellt, ich habe auch nie viel für mich gewünscht, aber ich wünsche mir jetzt, daß wir wieder zusammenfinden. Aber du mußt deinen Teil dazu beitragen. Nur zusammen können wir es schaffen.« »Ich weiß nicht, was mit mir los ist«, sagte sie und blickte zu Boden. »Ich weiß es wirklich nicht. Es tut alles einfach nur weh. Ich sage mir jeden Tag aufs neue, daß ich es nicht mehr tun will...« »Dann tu's doch auch nicht...« »Das sagst du so einfach. Was soll ich bloß machen?« »Du mußt dir helfen lassen, und zwar von kompetenten Leuten. Es ist eine Krankheit wie Alkoholismus oder Drogensucht. Nur ein geschulter Therapeut kann dir helfen. Aber es kann und darf so nicht weitergehen!« sagte er, stieß die Luft hörbar aus und nahm sie in den Arm. Sie fühlte sich an wie ein hilfloses kleines Kind. Seine Stimme wurde sanfter. »Bitte tu's, wenn nicht für dich, dann für mich!«
»Kennst du denn jemanden?« fragte sie tonlos. Sie war Mitte Dreißig, sah aber immer noch wie ein junges Mädchen aus, wahrscheinlich mit ein Grund, weshalb sie so leicht woanders fand, wonach sie suchte. »Es dürfte wirklich nicht allzu schwer sein, einen guten Therapeuten aufzutreiben. Wenn du möchtest, kümmere ich mich darum.« Sie löste sich aus seiner Umarmung und fuhr fort, das Frühstück für Julian zu bereiten. »Wollen wir heute abend essen gehen?« fragte er, während er sich wieder setzte. »Ich kenne da ein nettes Lokal in einer Seitenstraße gleich bei der Alten Oper. Sie machen eine phantastische Paella.«
»Paella? Und es ist sicher, daß wir gehen? Ich meine, kein dringender Fall, der dich erst um Mitternacht nach Hause bringt?«
»Das kann ich jetzt noch nicht mit Bestimmtheit sagen, aber ich hoffe natürlich nicht.« »Dann werde ich um halb acht fertig sein. Ich frage Annette, ob sie bei Julian bleibt. Ich werde heute nachmittag wieder in der Klinik sein. Der Arzt will mit mir sprechen...«
»Ich werde versuchen, heute nachmittag auch dazusein. Ich würde mich gerne viel öfter um sie kümmern.« »Dann tu's doch! Es ist sehr schade, daß du so wenig Zeit für Sabrina hast. Wie soll sie verstehen, daß du so selten bei ihr bist?«
»Tut mir leid, aber
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