Jung, blond, tot: Roman
zuständig ist.« Er stoppte für ein, zwei Sekunden, zog die Stirn in Falten und beobachtete die Reaktion von Schulz, dessen Miene schlagartig versteinerte. Berger senkte den Blick und sagte: »Sie war bis jetzt bei der Sitte. Staatsanwalt Köhler hat sie uns als Verstärkung geschickt. Ihr beide werdet zusammenarbeiten. Außerdem sind uns auf meine Bitte hin noch sechs weitere Beamte zugeteilt worden. Das wär's soweit, ich würde sagen, ihr macht euch jetzt am besten auf den Weg zu den Eltern.« Schulz erhob sich gleich wieder und reichte erst Koslowski, dann Julia Durant mit süß-saurer Miene die Hand. Er war enttäuscht, versuchte dies aber zu verbergen. Warum hatte Berger, mit dem er jetzt schon so lange zusammenarbeitete, nicht ihm die Ermittlungsarbeit übertragen? Warum, zum Teufel, eine Frau und dazu noch eine Fremde? Wie er Berger kannte, hielt der ihn wegen seines verkorksten Privatlebens für nicht in der Lage... Natürlich, das war der Grund... aber was, zum Teufel, konnte er schon dafür? Irgendwann würde er Berger für diesen Verrat an ihrer Freundschaft (Freundschaft, Freundschaft, verfluchte Freundschaft!!) zur Rede stellen und ihn zwingen zu sagen, warum er ihm diesen Giftpfeil in die Brust gejagt hatte!
Er und Julia Durant verließen das Büro, im Hinausgehen warf er Berger einen verächtlichen Blick zu. Schulz ließ die Tür hinter sich ins Schloß fallen, es dröhnte hohl durch den langen Gang. Ihre Schritte hallten von den Wänden wider. »Was glauben Sie, was für ein Typ der Täter ist? Allem Anschein nach sind Sie ja ein As auf diesem Gebiet«, sagte er bissig. »Sonst hätte Berger Sie doch sicherlich nicht geholt, oder?« Julia Durant ignorierte Schulz' Sarkasmus. Sie hatte für weinerliche Männer nur wenig übrig, schon gar nicht für solche, die Niederlagen nicht ertrugen. Sie gab sich aber nicht die Blöße, ihre Abneigung zu zeigen, und antworte te ganz ruhig: »Keine Ahnung. Die Art und Weise, wie er mit den Leichen umgeht - ich muß zugeben, so was habe ich bisher nur in Büchern gelesen. Ich habe bis jetzt keine Vorstellung, was für ein Typ der Täter sein könnte. Aber wir werden ihn finden.« »Sie sind ziemlich selbstsicher. Wann wir ihn finden, ist doch die Frage. Er hat bis jetzt wie ein Phantom gearbeitet. Keine Spuren, nichts.«
»Er wird Spuren hinterlassen, jeder hinterläßt bei Sexualverbrechen Spuren. Wahrscheinlich sind sie nur übersehen worden.«
»Berger und ich haben nichts übersehen! Wie lange machen Sie den Job überhaupt schon?« »Sieben Jahre, davon habe ich sechs in München gearbeitet. Bin erst seit einem Jahr in Frankfurt. Aber Frankfurt ist schlimmer als München. Ein verdammt hartes Pflaster.« »Das wußten Sie doch, bevor Sie herkamen!« »Man hatte mich gewarnt. Ich werde damit klarkommen.« Sie stiegen in den Opel, Schulz setzte sich ans Steuer. Der Verkehr war dichter geworden, sie benötigten etwa zwanzig Minuten, bis sie vor dem Haus parkten, in dem die Eltern des vermißten Mädchens wohnten. Ein Haus aus den zwanziger Jahren, mit rußiger Fassade, drei Stockwerke, Arbeitergegend.
Freitag, 9.30 Uhr
»Kommen Sie rein«, sagte der Mann mit sonorer, kratziger Stimme. Julia Durant schätzte ihn auf Mitte bis Ende Vierzig, obwohl er durch die vielen tiefen Falten und die grobporige, sonnengegerbte Haut älter wirkte. Er war unrasiert, rote Augen, von billigem Korn schnapsgeschwän gerter Atem, Raucherhusten. Derbe, von harter Arbeit gezeichnete, rissige Hände mit gespaltenen, ungepflegten Fingernägeln, dunkle Bartstoppeln, er trug ein blauschwarz kariertes Flanellhemd und eine schwarze Manchesterhose. Die Frau, ein in der Couch zusammengesunkenes Häufchen Elend, blickte mit leeren, rotumränderten Augen auf die Eintretenden. Sie trug eine Schwesterntracht, darüber eine dunkelblaue, dünne Wolljacke. Sie hatte die Knie geschlossen, die Hände gefaltet. Angst, Verzweiflung, vielleicht eine böse Ahnung. »Bitte, setzen Sie sich«, sagte der Mann und wies auf zwei Stühle. Die Wohnung war kein Palast, nur eine der vielen typischen Arbeiterwohnungen in dieser Gegend, die Möbel noch von den Eltern übernommen, der Schrank Gelsenkirchener Barock, der Teppich längere Zeit nicht gesaugt und abgetreten, verblichen wie die Tapeten, ein paar alte Spinnweben bewegten sich leicht in den Zimmerecken und über der Lampe. Der abgestandene, unangenehme Geruch kalten, gebratenen Essens hatte sich festgesetzt. Aus einem auf dem Geschirrschrank stehenden
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