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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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die Geld keine Rolle spielte. Und unzählige, roterleuchtete Fenster. Er fuhr langsam, dieses Viertel übte einen besonderen Reiz auf ihn aus, auch wenn er um diese Zeit nicht aussteigen würde. Ihm reichte das Sehen aus der Sicherheit seines Wagens. Er fuhr sie alle ab, Weserstraße, Taunusstraße, Elbestraße, Moselstraße und zuletzt die Kaiserstraße, einst eine Prachtstraße, mittlerweile haftete ihr ein zweifelhafter Ruf an, und jeder Versuch, ihr den Glanz der Vergangenheit wieder einzuhauchen, war bis jetzt gescheitert. Erst weiter unten, an der Gallusanlage, wurde ihr Antlitz ansehnlicher.
Nachdem er seine kurze, nächtliche Rundfahrt beendet hatte, gab er Gas, passierte die nach einem Brand im Wiederaufbau befindliche Oper, überquerte die restaurierte Untermainbrücke und kam in die Schweizer Straße. Auch dort noch viele Menschen, die die Nacht zum Tag machten, wobei es hier ungleich friedlicher zuging als auf der andern Mainseite. Die Ampel sprang auf Rot, er stoppte. Das Mädchen fiel ihm sofort auf. Sie war mittelgroß, mit langem, blondem Haar und jenem unschuldig-lasziven Gang, den nur Mädchen in einem bestimmten Alter haben. Nicht künstlich angeeignet, sondern natürlich. Die Herausforderung nur unbewußt, das Provozieren nicht mit Absicht. Ihre Bewegungen katzenhaft, sie blieb einen Moment stehen, strich sich mit einer Hand durchs Haar, warf kurz den Kopf zurück, ließ ihren Blick in die Runde schweifen, bevor sie ihren Weg fortsetzte, in Turnschuhen, Jeans und enganliegendem, weißem T-Shirt. Selbst im schwachen Licht der Straßenlaternen erkannte er die sich in der kühlen Nachtluft deutlich unter dem Shirt abzeichnenden eregierten Brustwarzen. Ein anderes Mädchen tauchte scheinbar aus dem Nichts auf, legte einen Arm um die Schulter der Freundin, gemeinsam beschleunigten sie ihre Schritte, bis sie hinter einer Tür wie in einem schwarzen Schlund versanken. Beide mußten etwa in dem Alter wie die zwei ermordeten Mädchen sein. Er stellte sich vor, der Killer wartete in diesem schwarzen Schlund auf seine Opfer.
Er beobachtete gerne junge Mädchen und Frauen, für ihn hätte die Welt aus nichts als jungen Mädchen zu bestehen brauchen. Er wünschte sich in solchen Augenblicken, jünger zu sein, noch einmal von vorne beginnen zu können. Was erwartete ihn, wenn er nach Hause kam? Vielleicht war sie zu Hause, wahrscheinlich aber nicht. Sicher war sie wieder ausgeflogen, ein ruheloser Vogel, um sich ihre Befriedigung einmal mehr woanders zu holen. Der Gedanke schmerzte ihn, er liebte sie beinahe hündisch, verstand nicht, weshalb sie ihn ein ums andere Mal so tief verletzte. Zwölf Jahre waren sie jetzt verheiratet, und jeden Tag quälte sie ihn etwas mehr, als wollte sie ausprobieren, wie lange er dem Martyrium standhielt. Immer häufiger verließ sie das Haus, nachdem sie Julian fürs Bett fertig gemacht hatte, aufgetakelt für die Nacht, für Abenteuer, die sie in fremden Betten suchte und meist auch fand. Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, mit wie vielen Männern sie schon geschlafen haben könnte, aber es mußten inzwischen Hunderte sein. Vielleicht war sogar schon einer darunter, der sie infiziert hatte. Denn er konnte sich vorstellen, daß sie fast alles mit sich machen ließ. Nur schlagen ließ sie sich nicht, obgleich sie schon zweimal mit verquollenem und zerschlagenem Gesicht von einem ihrer nächtlichen Streifzüge heimgekehrt war. Wie eine Katze nach einem wilden Revierkampf. Doch auch das hinderte sie nicht, es immer wieder zu probieren, ihn zu demütigen - wofür, das wußte er nicht. Angeblich befriedigte er ihre sexuellen Bedürfnisse nicht, doch das allein konnte es unmöglich sein. Sie war eine Hure, auch wenn sie ihren Körper nicht verkaufte, wenn sie kein Geld für ihre Liebesdienste nahm. Sie war unersättlich geworden, und Schulz wußte längst, daß sie krank war. Nur deshalb hörte er nicht auf, sie zu lieben, nahm er jede noch so große Demütigung in Kauf. Eine kranke Frau zu verlassen war nicht sein Stil, und da waren ja auch noch die beiden Kinder.
Es begann vor drei Jahren, als sie innerhalb von vierzehn Monaten zwei Fehlgeburten hatte, davon einmal Zwillinge. Was immer damals mit ihr geschehen war, sie fing an, sich rumzutreiben, anfangs nur sporadisch, einmal im Monat vielleicht, doch jetzt, wo Sabrina im Krankenhaus lag und ihr Tod nur eine Frage der Zeit war, verschwand sie beinahe jede Nacht.
Lange würde er es nicht mehr aushalten. Irgendwann würden

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