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Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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nicht handeln, rinnt Ihnen alles durch die Hände. Haben Sie unseren Zeitplan vergessen? In vier oder fünf Jahren tritt Zucker ab, in sieben Jahren werde ich pensioniert. Sie übernehmen Ihr eigenes Institut. Mit 43!«
    »Ja, ich weiß, das hält mir Christine auch immer vor.«
    »Na also, sie ist eine bodenständige, kluge Frau. Jetzt, wo wir von
Enceladus
die Mittel haben, um das PALAU mit an Bord zu nehmen, besitzen wir enormes Potenzial. Lassen Sie sich nicht alles kaputtmachen von einer Göre, die sich wehrt. Sie sind doch nicht plötzlich verkalkt, Fogh! Denken Sie sich was aus, dass es für die Mädchen nicht so dramatisch ist – und für Ihre arme Seele auch nicht. Nette Ohnmacht oder so was. – Nur eines: Handeln Sie jetzt, und handeln Sie schnell!«
     
    »Warum hat Pia mir nicht gesagt, dass sie herfährt?« Jenissej schüttelte den Kopf.
    Soll ich ihm sagen, dass Pia und Christine sich gut verstehen?
    »Noch ein Mineral?«, fragte die Geschäftsführerin.
    Jenissej nickte und lächelte sie aufmunternd an. Plötzlich nahm er Melinas linke Hand. »Ich danke dir. Es ist gut, dass du da bist, Melpomene. Ohne dich würde ich weiter in meiner Bude hocken.«
    Sie schaute auf die Hände.
    Es fühlte sich erschreckend angenehm an.
    Er ist fast fünfzig.
    »Ich habe etwas Lustiges gelesen«, sagte er. »Auf der Fahrt hierher. Das zeigt, dass ich mich schon ganz auf deine Welt eingelassen habe, meine Liebe. Die Forschung und all das. Biologie, Gehirne, Genetik   … Offenbar hat man ein Gen gefunden, das Mäuse dumm macht. Und dieses Gen gibt es auch beim Menschen. Weil Mäuse und Menschen irgendwie beinahe gleich gestrickt sind, genetisch.«
    Sie nickte und nahm ihre Hände zu sich.
    »Jedenfalls scheint dieses Gen die Aufgabe zu haben, die Maus oder den Menschen dümmer zu machen, als er eigentlich ist.«
    »Das Homer-Simpson-Gen.«
    Er lachte. »Ja, genau. Du kennst die Story? Man weiß noch nicht, warum dieses Gen für Dummheit verantwortlich ist. Aber man versucht, es auszuschalten, nicht? In dem Artikel stand, dass sie es bei den Mäusen geschafft haben. Plötzlich konnten die Viecher – ich weiß nicht, was – Intelligenztests lösen. Wenn das auch bei Menschen ginge – einfach bloß ein einziges Gen bei der Fortpflanzung ausschalten, und schon bekommen wir eine Welt voller Genies!«
    »Grauenvoll«, sagte Melina und trank ihr Bier.
    Er grinste. »Ich weiß nicht. Ich glaube, das meiste Übel, für das Menschen verantwortlich sind, geht auf ihre Dummheit zurück. Bauen Atomkraftwerke, seit Jahrzehnten, undhaben noch immer keine Idee, wo sie den Müll lassen – keine Endlagerstätte auf der ganzen Welt   … Die Kriege, der Hunger, die Bürokratie. Oder allein der Alltag, die berühmte Ignoranz. Was ist das anderes als Blödheit!«
    »Oder wild zu philosophieren, während die eigene Tochter weg ist«, sagte sie schroff.
    »Ja«, sagte er ernst. »Hast du eine Idee?«
    Melina fingerte mit dem leeren Glas. »Nein. – Die Mäuse, bei denen man das Gen RGS 14 gedeckelt hat, also das Gen, das im Hippocampus den Homer-Simpson-Effekt bewirkt, zeigen eine erhöhte Anfälligkeit für Störungen.«
    »Ja, habe ich gelesen. Schlaganfall.«
    »Unter anderem«, sagte sie. »Manche Mäuse hatten schwere epileptische Anfälle. Oder haben sich sozial auffällig benommen. Denkbar, dass RGS 14 eine Sicherung im Gehirn ist. Es drosselt vielleicht die Leistung, um Überlastungen zu verhindern.«
    Jenissej lachte. »Tja. Das heißt: Die genetisch bedingte Dummheit schützt vor Ausrastern und vor Schlaganfällen? Eine komische Maschine, unser Körper, was?« Er lächelte Melina an. »Weißt du, es tut mir gut, einmal zu lachen. Es mag der Lage nicht angemessen sein, aber es gibt mir – Zuversicht.«
     
    Das Bier hatte ihr beim Einschlafen geholfen. Die Gedanken an Pia in der Hütte des Ospizio Bernina und die Gedanken an Lena waren gewichen. Sie hatte sich
festgehalten
gefühlt, obwohl Jenissej in seinem eigenen Zimmer schlief.
    Etwas musste sie geweckt haben. Vielleicht ein Geräusch. Hatte jemand geklopft?
    Melina ging zum Fenster, das angekippt war.
    Etwas von draußen. Ein Vogel in der Nacht? Eine Katze?Beides? Oder störte sie das beständige Rauschen der vielen fernen Wasserfälle? Wenn die Lärmkulisse der Stadt einmal weg ist, kann das kleinste Rauschen zur Störung heranwachsen.
    Aber zu sehen war nichts.
    Sie wollte ins Bett zurück. Die Uhr stand auf 03   :   09.
    Sie ging zur Zimmertür und drehte den

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