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Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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Laptop.
    Sie hatte zwei schematische Darstellungen eines Iglus im Netz gefunden. Doch auf dem einen Bild verdeckte ein lachender Eisbär die Zeichnung, das andere bestand aus hellgrauen Linien, die wenig Kontrast boten.
    Mit dem Mond sah es besser aus. Viele Fotos vom Vollmond, zweidimensionale Plankarten mit den größten Kratern, Zeichnungen – von realistisch bis märchenhaft.
    Jetzt ging es nur noch darum, beides richtig zu kombinieren. Wäre der Mond über dem Iglu zu klein, fiele er nicht auf. Um zu betonen, dass es auch auf ihn ankommt, müsste er unkonventionell platziert werden.
    Sie schob einen goldenen Vollmond unter das Iglu. Verband beide Bilder zu einer Grafik und begann, den lachenden Eisbären zu retuschieren. Die Linien der Eisblöcke ließen sich gut erweitern.
    Dann löschte sie die Version und griff auf eine frühere zurück, in der noch nicht beide Bilder verbunden waren. Iglu und Mond rückte sie auf eine Ebene nebeneinander. Den Mond vergrößerte sie, so dass er genau so groß war wie das Iglu, dessen Linien sie nun noch einmal ergänzen musste.
    Die roten Waggons der
Rhätischen Bahn
wurden geöffnet. Sie schnappte ihr Gepäck und stieg als Erste mit ihrem eingeschalteten Laptop ein. Für die Zeremonien der Fahrtvorbereitung hatte sie keinen Blick. Sie spielte die Grafik in ein Medienprogramm ein. Auf diese Weise wurde das Bild zum Bestandteil eines kleinen Films. Die vorangegangene Szene zeigte ein Panorama der albanischen Hauptstadt Tirana.
    Die Bahn fuhr längst. Übers Tonband kam ein Sprachenfeuerwerk.
Die Spurweite der Bahn: Tausend Millimeter.
Was heißt
tausend
auf Englisch, Französisch, Italienisch und Rumantsch?
    Touristen standen auf, filmten aus dem Fenster, zeigten einander die Berge oder witzelten mit dem Kondukteur herum. Als sie sich dem Landwasser-Viadukt näherten, wurde aus den Reisenden ein Kindergarten. Jeder wollte schauen und knipsen und zeigen und erkennbar genießen.
    Tonband-Zahlen: 109   –   65   –   1,7   Millionen. Das eine waren die Meter, das andere Zugquerungen, und eines waren die Jahre. Wie auch immer was zusammengehörte.
    Nur einer unter den Reisenden, ein alpin gekleideter Herr mit weißen Haaren, hatte gerade den Zettel am Zugdurchgang entdeckt, der trotz der Haftklebestreifen im Fahrtwind flatterte. Gesucht wurde der Mörder einer jungen Italienerin, die in der Bahn erstochen worden war. Foto vom »Sackmesser«. Sachdienliche Hinweise. Belohnung. Telefonnummer.
    Über Mond und Iglu lagen nun zwei Weißblenden. Aber passte das? Sollte nicht noch eine 2 eingefügt werden?
    In Pontresina sollte sie in eine Diskussion einbezogen werden. Ein Franzose – oder ein frankophoner Schweizer – hatte halb aus dem Fenster hängend festgestellt, dass sie auf Gleis 3 stünden. Hier würde von Gleichstrom auf Wechselstromumgeschaltet, verkündete er allen in Hörweite. In dem kleinen Waggon waren das alle.
    Ein schmaler Blonder mit Oberlippenbart stieß seine Sitznachbarin an, die an ihrem Laptop arbeitete. »Das ist unstimmig. Gleis 1 bis 3 führen Wechselstrom, Gleis 3 bis 7   Gleichstrom. Gleis 3 kann beides.«
    »Umgekehrt«, sagte der Franzose.
    »Hier wird auch nichts umgestellt. Wir fahren mit Gleichstrom.«
    »Sollen wir die Bahn fragen?«
    Sie konzentrierte sich auf ihren Film.
    Kurz vor der holzüberdachten Galerie vor der Alp Grüm bereiteten sich die meisten der übriggebliebenen Passagiere darauf vor, auf einen Kaffee und eine gute Aussicht in 2300   Metern Höhe auszusteigen.
    Der Franzose ging zum vorderen, der blonde Schnurrbart zum hinteren Ausgang des Waggons.
    Alp Grüm war vorüber. Erst kurz hinter Cadera, wo es keine Haltnachfrage gab, war die Datei fertig, die drei Segmente in der richtigen Reihenfolge. Sie ließ es noch einmal durchlaufen und zählte die Rhythmen mit, damit sich kein Fehler einschlich. Denn auf diesen Film kam es mehr an als auf die beiden anderen.
    Bei der Fahrt durch das Puschlavtal zog sie die Jacke aus. Die Sonne heizte den Metallzug auf.
    Lena sah auf die Uhr.
    Die Mailadresse von der Alp Grüm war auf dem Laptop fest eingespeichert.
    In Poschiavo stieg sie aus und lief die Straße am Poschiavino entlang zum winzigen Café
Lardi
an der Plazza da Cumün. Sie bestellte wie immer eine Cola und überflog die Überschrift der
Engadiner Post,
während der Laptop wiederhochfuhr. Es ging um ein Vorbereitungstreffen für den Weltwirtschaftsgipfel.
    Lena peilte die WLA N-Verbindung und schickte ihre Datei ab – an

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