Jung genug zu sterben
nicht alles gut, aber wahrscheinlich erlaubt sie sich mit den Filmchen einen Gag. Und ich denke – na ja … «
Schroeter fuhr auf dem Drehstuhl herum. »Jenissej! Hör auf! Ich bin nicht dein Seelenklempner oder dein Friseur! Wenn du dich um deine Tochter kümmern willst, geh gefälligst raus und mach das! Und wenn du arbeiten willst, dann vergiss deine Tochter! Entscheide dich!«
»Langsam, langsam, Bruder Oskar … «
Schroeter stand auf und griff nach seiner Jacke, die wie immer auf seiner Stuhllehne hing, als sei er kurz auf Besuch da – und nicht nächtelang im Dauereinsatz. »Ruf mich an, wenn du wieder klar bist.«
Jenissej legte eine Hand auf Schroeters Schulter und drückte ihn sanft auf den Stuhl.
Jenissej tätschelte die Schulter.
Sah auf den Bildschirm, auf dem – irgendetwas – war.
Dann ging er hinaus ohne jedes weiteres Wort.
37
Liegt schon einer in der Röhre?, fragte sich Andreas, als er hörte, dass das Gerät in Betrieb war.
Er schleuste sich mit Codekarte und Handauflegen in den C T-Trakt , den Bereich für die Computertomographie am Zürcher Uniklinikum.
Durch die Glaswand sah er, dass der Tomograph arbeitete.
Die Lichter blinken, dachte er.
Es dauerte mehrere Sekunden, bis bei ihm die Erkenntnis ankam, dass das der Alarmstatus war.
Eigentlich hätten Sirenen heulen müssen.
Weit und breit war kein Mitarbeiter zu sehen. Andreas griff nach einem Schutzkittel und betrat den Raum mit der Röhre. Jemand lag auf der Pritsche.
Und das im Alarmzustand?
Andreas hämmerte auf die wulstige Taste
Not-Aus
. Die Apparatur, von der eine ungewöhnliche Wärmestrahlung ausging, fuhr herunter wie eine überdrehte Wäscheschleuder mit Dieselmotor. Die Alarmlichter blinkten weiter.
Ein schneller Blick auf die Sicherheitseinstellungen:
Stummer Alarm –
on
Überlastungsabschaltung –
off
Automatische Schleusensperre –
off
Zeitabschaltung –
off
Strahlenreduktion –
off
Notkühlung –
off
Sprechverbindung Patient –
off
Vitalüberwachung –
off
Zweites Sicherheitssystem –
off
Andreas kontrollierte die Dosierung der Strahlung:
2,5 Millisievert.
Das Maximum.
Und wie hoch ist die kumulierte Strahlung?
Er musste zweimal hinsehen, um es zu glauben.
Dennoch ging er zur Pritsche und klinkte den Patienten manuell aus. Der Schlitten glitt heraus.
Andreas wollte die Vitalfunktionen prüfen, zuckte aber zurück.
Es war Professor Carlo Brogli, und er war eindeutig tot.
»Schwester, halt!«, rief Andreas.
Die Krankenschwester lief weiter.
Er hielt sie am Arm fest. »Rufen Sie sofort die Leitung an. Und auch gleich die Polizei. Wir haben ein Strahlenopfer im CT2!«
Sein Kollege Urs kam heran und ließ einen Patienten mit Tropf an der Haltestange vor dem Fenster stehen. »Was ist bei dir los?«
»Brogli ist tot.«
»Brogli?«, fragte die junge Schwester. »Der Professor?«
»Das Gerät muss stundenlang gelaufen sein, ich kann mir das nicht erklären. Alle Sicherheitsschaltungen waren deaktiviert. Wo können wir dekontaminieren?«
»Doktor Brogli«, murmelte die Schwester. »Er hatte doch Jan Sikorski als Patienten, oder?«
»Ja«, sagte Urs. »Wir müssen ihn im CT2 lassen und eine mobile Einheit anfordern, die sich um die Strahlung kümmert. Unsere Kapazitäten reichen nicht.«
Die Schwester wandte sich ab und eilte davon.
»Rufen Sie an, Schwester?«, rief Urs ihr hinterher.
Sie hob die Hand zu einer Art Bestätigung und beschleunigte in den Laufschritt.
»Kenn die gar nicht. Du?«
»Nein. – Wieso macht Brogli denn so was?«, fragte Andreas.
»Wieso Brogli? Du glaubst, dass er sich selbst da reingelegt hat? Suizid? Nee!« Er sah noch mal in die Richtung der Ecke, hinter der die Schwester eben verschwunden war.
»Wer soll es sonst gewesen sein?«, fragte Andreas. »Ein Mord, meinst du? Mit dem Apparat und vor allem mit dem Abschalten der Sicherungen kennt sich doch eigentlich nur Brogli aus.«
»Bei 50 Sievert fällt ein Mensch ins Koma, und bei 80 Sievert ist er sofort tot?«
»So ist es«, sagte Andreas.
»Moment«, fiel Dr. Frauchinger ein. »Herr Kommissär, das ist ein theoretischer Wert. Bei 80 Sievert fällt das Nervensystem eines Menschen aus. So etwas haben Sie vielleicht in einer Neutronenbombe, aber fraglos nicht in einem Computertomographen.«
»Aber wenn das Gerät die Nacht über gelaufen ist?«, fragte der Kommissar. »Wie hoch ist die normale Strahlung bei so einer Untersuchung, Herr Medizinalrat?«
»Wir arbeiten
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