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Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Titel: Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Korte
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unseren Herzschlag reguliert – beides Funktionen, die auch im Schlaf präzise wie ein Uhrwerk funktionieren müssen. Im Zentrum dieses Hirnstammes liegt das sogenannte retikuläre Aufmerksamkeitssystem ( RAS oder Formatio retucularis), welches uns beim Läuten des Weckers oder wenn wir ungewohnte Geräusche hören, weckt. Es bildet einen Komplex aus mehreren Kernen, die quasi in alle Geschosse des Großhirns projizieren und dieses auf ankommende Signale aufmerksam machen. Diese allgemeine Aufmerksamkeit (engl. arousal = Wachheit) ist entscheidend, um auf die Prozessierung von eingehenden Sinnesinformationen vorbereitet zu sein, die während der Nacht weitgehend heruntergedimmt wird. Aber auch nach innen spielt das RAS eine wichtige Rolle, z. B. dann, wenn wir »in uns hineinhorchen«, uns etwa an einen Namen erinnern wollen, der uns entfallen ist, während wir gleichzeitig versuchen, die visuellen und akustischen Geräusche um uns herum zu ignorieren.
    Über dem Hirnstamm liegen die Räume des limbischen Systems (lat. limbus = Ring), das vor allem mit unseren Emotionen beschäftigt ist (Fühlen wir uns morgens wohl, oder sind wir schlecht gelaunt? Haben wir Angst vor etwas, was uns an diesem Tag erwartet?) und wie ein Treppenhaus die Funktionen des Hirnstammes mit der Großhirnrinde verbindet. Es enthält die Strukturen, die uns zu Säugetieren machen, von der Körpertemperatur bis zur Sexualität. Außerdem sitzen hier die inneren Uhren, die uns auf dem Kurs einer 24-stündigen Rhythmik halten, die während der Pubertät, aber auch im Alter durcheinandergeraten kann. Im Alter wird die Amygdala (Mandelkern) in ihrer Bedeutung zurückgebaut, sie hat dann weniger Einfluss über die Vorgänge im Oberstübchen, also der Großhirnrinde.

Abbildung 7: Schematischer Aufbau des Gehirns

Innerhalb des limbischen Systems nimmt der Hypothalamus eine ganz zentrale Rolle ein: Kaum größer und schwerer als eine Erbse, fungiert er als eine Art Gehirn in unserem Gehirn, zumindest was unsere basalen Körperfunktionen betrifft. So reguliert er schon Stunden vor dem Aufwachen die Körpertemperatur langsam nach oben (während er vor dem Einschlafen die Temperatur herunterreguliert, weshalb es gerade abends so wichtig ist, sich vor Erkältungen zu schützen). Darüber hinaus steigert er vor Anbruch des Morgens langsam den Cortisol-Level im Blut. Das Stresshormon Cortisol ist insofern wichtig, als es dem Körper genügend Energie zuführt, wenn er sein Tagewerk beginnt. Allerdings kann die Produktion von Cortisol, die etwa gegen 4 Uhr morgens hochreguliert wird, zu Schlafstörungen führen. In jungen Jahren bereitet sie das Aufwachen bereits mit einigen Stunden Vorlauf vor; bei älteren Menschen, bei denen der Schlaf nachts häufig unterbrochen ist (z. B. durch einen Toilettengang), kann sie das Wieder-Einschafen erschweren. Das ist aber weder unnormal noch bedenklich.
    Zudem reguliert der Hypothalamus mit chemischen und elektrischen Signalen die einzige Drüse des Gehirns, die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse). Mit Hilfe dieser Signale weiß der Körper, ob er zu wachsen hat, welche Hautfarbe er annehmen, ob und wann bei der Frau ein Eisprung stattfinden und wie viel Testosteron in den Hoden produziert werden soll. Der Hypothalamus reguliert außerdem unseren Appetit und Durst, den Herzschlag und den Blutdruck, unseren Hormonhaushalt und unser sexuelles Verhalten sowie einen Teil unserer Gefühle. Kurzum, er sorgt dafür, dass unser Körper im Gleichgewicht bleibt, so wie das Lüftungs- und Heizsystem die Temperatur eines Hauses auf einem bestimmten Niveau hält. Der Hypothalamus ist im Alter Veränderungen unterworfen: So bewirkt ein Verlust von Nervenzellen im Hypothalamus, dass er viel zu spät anzeigt, ob wir bereits dehydriert sind, mit anderen Worten: dass wir die Wasserspeicher des Körpers wieder auffüllen müssen. Entsprechend trinken alte Menschen oft zu wenig – mit fatalen Auswirkungen: Der Blutdruck ist nicht optimal reguliert, und das Gehirn wird nicht optimal mit Sauerstoff und Traubenzucker (Glukose) versorgt. Dagegen kann die kognitive Leistung um bis zu 10 % gesteigert werden, wenn man sich »zwingt«, mehr zu trinken, als das Durstgefühl einem signalisiert.
    »Die Aufmerksamkeit
ist der Meißel
des Gedächtnisses.«
    François-Gaston de Lévis
    Neben den Hypothalamus gehört der Hippocampus, wegen der Ähnlichkeit seiner Form auch Seepferdchen genannt, zu unserem limbischen System. Er orchestriert unser

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