Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
die auf der anderen Seite des synaptischen Spaltes andocken, an dafür genau vorgeprägten Stellen, den Rezeptoren. Diese beeinflussen nun wieder das Gleichgewicht bestimmter Salze, wie Natriumchlorid ( NaCl ) oder Kaliumchlorid ( KCl ), oder setzen weitere Botenstoffe frei. Mittlerweile sind mehr als 100 solcher Botenstoffe bekannt. Im Gehirn wichtig sind vor allem die Botenstoffe, die von Aminosäuren abstammen: Glutamat als wichtigster erregender Botenstoff, Gamma-Aminobuttersäure (GABA) als hemmender Botenstoff oder auch Noradrenalin, Dopamin und Serotonin. Das Gehirn arbeitet auch mit Botenstoffen, die größer sind und aus einer Kette von Aminosäuren bestehen: etwa Acetylcholin oder Peptide. Wenn wir etwas lernen oder etwas im Gedächtnis behalten wollen, verändern sich die Synapsen, sie werden entweder verstärkt oder abgeschwächt. Sie sind die Orte, an denen sich Lernprozesse materialisieren, und an einigen dieser Synapsen kann man Alterungsprozesse beobachten.
Abbildung 6: Die Nervenzelle
Eine Nervenzelle hat meist vier Komponenten:
1. Zellkörper (Soma oder Perikaryon): Er umfasst den Zellkern als Träger der genomischen Information und das Zytoplasma mit Zellorganellen für die Herstellung aller erforderlichen Moleküle des Erhaltungs- und Funktionsstoffwechsels.
2. Dendriten, als »afferente Strukturen«, empfangen die Mehrzahl aller Synapsen zur Informationsaufnahme durch das Neuron. Je nach Anzahl der primären Dendriten erfolgt eine Klassifikation der Neuronen in uni-, bi- und multipolar.
3. Axone, auch Neuriten genannt: Als »efferente Strukturen« sind sie zur Weiterleitung des am Axonhügel entstehenden Aktionspotenzials in mehr oder weniger weit entfernte Zielgebiete befähigt. Meist besitzt jedes Neuron nur ein Axon, welches aber oft viele Kollateralen ausbildet.
4. Synapsen: Sie sind die besonderen Differenzierungen am »Ende« eines Axons, wo die Aktionspotenziale zur Freisetzung von Transmittern führen und damit eine Sequenz von Prozessen initiieren, die der Informationsübertragung auf die nachgeschaltete, räumlich von ihr durch den synaptischen Spalt getrennte Nervenzelle (oder Muskelzelle) dient.
Eine Nervenzelle besteht typischerweise aus einer Inputregion, Dendritenbaum genannt, in der die Signale über Synapsen einlaufen (Abb. 6). Diese Signale werden dann passiv zum Zellkörper weitergeleitet, der nicht nur den Zellkern und alle Zellorganellen enthält, sondern auch eine Region, die Aktionspotenziale generieren kann – schnelle, immer gleichförmig hohe elektrische Potenziale, die ohne Verlust ihrer Signalgröße durch ein Axon laufen. Sie sind der neuronale Code, mit dem Informationen in Neuronen weitergegeben werden. Das Axon ist der lange, faserartige Fortsatz, der Output, einer Nervenzelle. Axone verzweigen sich meist erst weit entfernt vom Zellkörper und können zum Teil sehr lang (bis zu einem Meter) werden. Die »Haut« (Membran), die jede Nervenzelle umschließt, besitzt winzige Löcher, sogenannte Kanäle, die nur bestimmte Ionen als geladene Teilchen durchlassen. Die Botschaft bzw. der Nervenimpuls (Aktionspotenzial) wandert durch das Axon, weil sich Abschnitt für Abschnitt elektrisch geladene Teilchen (Ionen) durch die Kanäle der Membranen bewegen. Axone sind meist von Isolierhüllen (Myelinscheide) aus Gliazellen umgeben (griech. glia = Kitt), die die Fortleitungsgeschwindigkeit erhöhen. Ist die Myelinhülle geschädigt, so erfolgt die Informationsübermittlung langsamer, manchmal auch fehlerhaft. Dies ist besonders im Zusammenhang mit Alterungsprozessen von Bedeutung, da gerade die Gliazellen, die ja die Myelinhülle bilden, im fortgeschrittenen Alter gerne Schaden nehmen. Die Nervenzellen bilden übrigens nur 10 % aller Zellen des Gehirns, 90 % sind sogenannte Gliazellen.
Die Architektur des Gehirns – vom Keller bis zum Dachboden
Kommen wir zu einer mehr makroskopischen Betrachtung des Gehirns: Dabei beginnen wir im Hirnstamm (Abb. 7), quasi im Keller des Gehirns, wo die gehirneigenen Wecker sitzen, die uns mal langsamer, mal schneller aus dem Schlaf befördern. In der Tat ist der Hirnstamm gleichsam das Fundament des Gehirns. Er ist im Wesentlichen eine Erweiterung unseres Rückenmarks und wird auch als »Reptiliengehirn« bezeichnet, weil er, etwas vereinfacht ausgedrückt, der Teil des Gehirns ist, mit dem Reptilien und Fische auskommen müssen.
Seine hauptsächliche Funktion besteht darin, uns am Leben zu halten, indem er z. B. unsere Atmung und
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