Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
verändert sich dabei mit den Jahren, vielmehr fallen genetische Unterschiede durch altersbedingte Veränderungen stärker ins Gewicht und erinnern einen daran, dass neben den individuellen Lebensbedingungen die Gene maßgeblich die Qualität des Alterns bestimmen. In jungen Gehirnen ist die Anzahl der Dopamin produzierenden Zellen so groß, dass eine kleine Abweichung in der Geschwindigkeit des Dopaminabbaus irrelevant ist. Liegt der Botenstoff aber nur noch in einer deutlich geringeren Konzentration vor, zählt die Geschwindigkeit des Abbaus. Denn je länger Dopamin im synaptischen Spalt verweilen kann und je langsamer es abgebaut wird, umso länger kann es auf die nachfolgenden Neuronen einwirken. So wird ein Weniger an Dopamin teilweise durch eine längere Wirkungsdauer kompensiert.
Es sei abschließend noch darauf hingewiesen, dass Dopamin nicht nur die selektive Aufmerksamkeit, das Arbeitsgedächtnis und das Langzeitgedächtnis fördert, sondern auch daran beteiligt ist, Neugierde zu entfachen, uns zu erregen und schnell und sicher Entscheidungen zu treffen. Untersuchungen an älteren Menschen zeigen, dass eine Abnahme des Dopaminspiegels Unternehmungslust und Risikobereitschaft bremst. Das erklärt auch, warum einige ältere Menschen einen ruhigeren Lebensstil bevorzugen und ihre Lust auf Neues nachlässt.
Nervenwachstumsfaktoren entscheiden über Wohl und Wehe des Gehirns
An dieser Stelle sei ein weiterer wichtiger Faktor erwähnt, der unser Altern auf vielfältige biochemische Art und Weise beeinflusst: das kleine Eiweißmolekül BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor, dt. etwa: vom Gehirn stammender neurotropher Faktor), das zur Familie der Nervenwachstumsfaktoren gehört. BDNF (amerikanische Kollegen haben es spaßeshalber auch als Big Deal Neurotrophic Factor bezeichnet, in etwa ein Faktor, der das ganz große Business verspricht oder die gesamte Weltwirtschaft in ein Chaos stürzen kann, wenn man den Vergleich aus der Ökonomie wagen will) wurde von Hans Thoenen und Yves-Alain Barde an einem Max-Planck-Institut vor den Toren Münchens entdeckt und ist auf vielfältige Art und Weise mit Alterungsprozessen verwoben. Zum einen wird vermutet, dass es ein wichtiger Überlebensfaktor für Nervenzellen ist, die Dopamin produzieren, und zwar ein Leben lang. Mit zunehmendem Alter nimmt aus nicht bekannten Gründen die Menge der zur Verfügung stehenden BDNF s ab, was möglicherweise negative Konsequenzen für die Dopamin produzierenden Neuronen hat, die in ihrem Überleben von Nervenwachstumsfaktoren abhängen bzw. ein höheres Risiko haben, abzusterben, wenn BDNF nicht in genügenden Mengen vorhanden ist. Darüber hinaus beeinflusst BDNF Lernvorgänge direkt, es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Informationen dauerhaft im Gehirn gespeichert werden (Langzeitgedächtnis), und es scheint auch an der Umstrukturierung des Gehirns beteiligt zu sein, wenn Neues gelernt wird. Neuere Befunde lassen darüber hinaus vermuten, dass BDNF zur Bildung neuer Nervenzellen im Hippocampus und deren Integration in bestehende neuronale Netze beiträgt. Das ist kein triviales Unterfangen, da die bestehenden Nervenzellen bereits Tausende von Kontakten geknüpft haben und es immer noch eines der Geheimnisse unserer Gehirne ist, wie in dieses komplexe Netz an Verflechtungen mit Hilfe von BDNF auf sinnvolle Art und Weise neue Knotenpunkte eingebaut werden. Fest steht dagegen, dass BDNF unter zwei Bedingungen besonders stark freigesetzt wird: Wenn wir lernen und wenn wir uns regelmäßig bewegen – beides führt zu einer vermehrten Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus. Dieser Umstand könnte erklären, warum lebenslanges Lernen und regelmäßige körperliche Ertüchtigung Gehirne langsamer altern lassen (siehe Kapitel 8), denn neue Nervenzellen können die Funktion der verloren gegangenen Nervenzellen übernehmen, und je höher die Neubildung von Nervenzellen, desto besser kann der Verlust kompensiert werden.
So verlaufen diese feinen biochemischen Prozesse keinesfalls unabhängig von unserem Lebensstil. Sie werden beeinflusst von Ernährung, Bewegung, Stress und Umweltgiften, die zusammen mit genetischen Effekten bestimmen, wie wir altern. Ähnlich wie wir dies für ein Dopamin abbauendes Enzym gesehen haben, gilt auch für BDNF , dass es Genvarianten gibt, die kognitives Altern beeinflussen. Die Genvarianten für BDNF unterscheiden sich in nur einem Baustein (einer Aminosäure), deren Austausch dazu führt, dass das BDNF
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