Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
Stanford University in den USA durchgeführt. Er untersuchte Menschen im Alter von 20 bis 85 Jahren im Hinblick darauf, wie gut sie zwischen den Risiken verschiedener Geldanlagen unterscheiden konnten. Es ging dabei um Aktien oder alternativ um Rentenpapiere, Geldanlagen, die nach experimentell festgelegten Wahrscheinlichkeiten unterschiedliche Gewinne und Verluste bringen. Aktie A entwickelt sich insgesamt nach oben, hat aber auch starke Ausschläge nach unten. Aktie B entwickelt sich langsam, ohne große Sprünge, aber auch ohne große Ausschläge nach unten usw. Insgesamt waren einige Aktien mit großen Risiken versehen, ließen aber auch auf großen Gewinn hoffen, andere waren weniger riskant, aber auch weniger ertragreich. Die Experimentatoren überprüften insbesondere, wie sehr die Probanden, die von der Manipulation der Aktienverläufe nichts wussten, von den Entscheidungen eines idealtypischen »rationalen Geldanlegers« abwichen – das heißt, ob sie wie dieser nur dann zu einer riskanteren Aktie griffen, wenn zu erwarten war, dass sich das auszahlen würde. Wiederum wurde mit Hilfe bildgebender Verfahren die Hirnaktivierung gemessen, während die Probanden ihre Entscheidungen im virtuellen Börsenmarkt trafen. Bei risikofreudigen Geldanlagen war ein kurzzeitiger Erregungsschub im Belohnungssystem des Gehirns zu beobachten, vor allem in einer als Nucleus accumbens bezeichneten Region. Er ist eine Art gehirneigene Drogenapotheke, die Opium und Morphium verwandte Substanzen im Gehirn ausschüttet, wenn das Gehirn eine Belohnung (ein erreichtes Ziel) als besonders überraschend bewertet.
Auf der Verhaltensebene ergaben die Versuche abermals bei den Senioren eine größere Schwankungsbreite: Sie gingen zum Teil höhere Risiken ein, und das Belohnungssystem in ihren Gehirnen war sehr variabel aktiv. Vor allem die Aktivität im Nucleus accumbens fiel bei den älteren Teilnehmern größer aus, was mit einer erhöhten Fehlerrate einherging – mit anderen Worten, ein Teil der Senioren ging unnötige Risiken ein. Warum? Ein Grund könnte sein, dass ihr Arbeitsgedächtnis nicht so effektiv arbeitete und der Stand vorheriger Aktienkurse nicht akkurat zwischengespeichert wurde. Ein anderer, dass es älteren Menschen schwerer fällt, Handlungsoptionen abzuwägen. Dies deutet auf ein Defizit in der neuronalen Verarbeitung hin. Umgekehrt verfügten ältere Menschen, die bei dieser Aufgabe gut abschnitten, über stabilere Hirnressourcen – ihre Erregungsmuster glichen eher denen junger Menschen. Woher diese Unterschiede kommen und ob man neuronale Verluste kompensieren, gar verhindern kann, darum soll es im Folgenden gehen.
Dopamin – wenn der Turbolader fehlt
Einer der Verursacher sowohl des Leistungsabfalls im Alter hinsichtlich des Arbeitsgedächtnisses als auch ein Vermittler in das Belohnungssystem des Gehirns hinein ist ein Botenstoff, der aus der Tiefe des Gehirns eine Reihe neuronaler Prozesse in unserem Oberstübchen beeinflusst: Dopamin. Er wird in der Substantia nigra, dem schwarzen Kern des Gehirns, und im ventralen Tegmentum, einem anderen Gebiet in der Nähe der Substantia nigra, produziert. Beide Gehirnstrukturen liegen im Mittelhirn und haben weit verzweigte Verbindungen in die Großhirnrinde hinein, vor allem in den Stirnlappen, wo das Dopamin die Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses und der selektiven Aufmerksamkeit befördert. Aber die Dopamin ausschüttenden Nervenfasern führen auch zum Belohnungssystem des Gehirns, unter anderem dem bereits erwähnten Nucleus accumbens. Damit nicht genug: Andere Nervenbahnen führen zum Hippocampus, wo sie den Übergang vom Kurz- zum Langzeitgedächtnis fördern. Eine weitere Datenverbindung existiert zu den Basalganglien, wo das Dopamin an der Bewegungsteuerung, der Bewegungsinitiierung und der Rhythmik von Bewegungen beteiligt ist.
Zurück zum Dopamin selbst: Es fungiert als Turbolader für Neuronen. Wo er ausgeschüttet wird, erhöht sich die Leistungsfähigkeit der Nervenzellen, die diesen Botenstoff empfangen. Es gehört zu den normalen Prozessen, dass die Nervenzellen, die das Dopamin produzieren, alterungsbedingt absterben. Damit steht der Botenstoff älteren Gehirnen nur noch in geringeren Mengen zur Verfügung – mit der Konsequenz, dass rhythmische Bewegungen schwieriger werden, da die Basalganglien, die hier entscheidend sind, weit weniger mit Dopamin versorgt werden, als dies noch in jungen Jahren der Fall war. Darüber hinaus spielt
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