Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
Dopamin eine wichtige Rolle bei der Abspeicherung neuer Informationen in das Langzeitgedächtnis, was erklärt, warum es mit zunehmendem Alter schwieriger wird, neue Informationen in größerem Umfang vom Kurz- in das Langzeitgedächtnis zu befördern. Neben dem Neurotransmitter Acetylcholin steuert Dopamin entscheidend die selektive Aufmerksamkeit, die es uns ermöglicht, uns auf bestimmte Prozesse oder Sinnesreize zu konzentrieren und andere dabei zu ignorieren.
Hier kommen nun strukturelle mit biochemischen Veränderungen im Gehirn zusammen, die dazu führen, dass die Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses im Alter generell abnimmt. Dies hat hirnphysiologisch folgende Ursachen:
Nimmt die Anzahl von Nervenzellen im Stirnlappen und Hippocampus ab, ist weniger Rechenkapazität vorhanden und es kann weniger zwischengespeichert werden.
Bedingt durch ein Absterben von Nervenzellen, die Dopamin produzieren, nimmt die Anzahl an Nervenverbindungen (Projektionen) in den Stirnlappen – und hier vor allem in den präfrontalen Cortex hinein – ab.
Der damit verbundene Verlust an Masse im vorderen Teil des Gehirns im Allgemeinen und in der Mitte des Gehirns in Form Dopamin herstellender Nervenzellen ist unausweichlich. Er ist genetisch bedingt, kann aber maßgeblich dadurch beeinflusst werden, wie stark wir unser Denkorgan bis in das hohe Alter hinein einsetzen, wie lange wir lernen und sozial aktiv bleiben. Das Gehirn gehört zu den Organen des Menschen, die nicht durch Schonung, sondern durch ständiges Training besser werden bzw. in ihrer Leistungsfähigkeit erhalten bleiben. Welche Faktoren noch zu geistiger Fitness beitragen, wird in Kapitel 8 erläutert.
In welcher Form genetische Faktoren für den Verfall unseres Gehirns eine Rolle spielen können, lässt sich am besten an einer Genvariante erklären, die für unterschiedlich aktive Dopamin abbauende Enzyme kodieren. Das Dopamin, wenn es an den Enden der Axonen ausgeschüttet wird, muss auch wieder abgebaut werden, damit seine Wirkung im synaptischen Spalt nur von kurzer Dauer ist. Dies geschieht zum einen durch Transportmoleküle, die es wieder in die Zelle zurückpumpen, und zum anderen durch Eiweißstoffe, die den Abbau des Dopamins erledigen, indem sie es in andere Stoffwechselprodukte umwandeln. Liegt nun eine Genvariante (»Genotyp«) vor, welche den Dopaminabbau durch ein Enzym namens COMT fördert, so ist die Menge des verfügbaren Transmitters bei Menschen mit dem Val/Val-Genotyp besonders niedrig (Abb. 12). Davon betroffene Menschen bestätigen das oben Gesagte auf eindrucksvolle Art und Weise, sie zeigen in einem stärkeren Maße kognitive Defizite als Menschen mit einem anderen Genotyp, der als Met/Met bezeichnet wird (Met und Val stehen für bestimmte Aminosäuren, aus denen Eiweiße gebildet werden). Dieser Genotyp, der mit einer größeren Dopaminmenge im Gehirn einhergeht (nicht weil mehr ausgeschüttet wird, sondern weil der Abbau von Dopamin langsamer vonstatten geht), ist von Vorteil, wenn man die kognitive Leistungsfähigkeit älterer Menschen misst. Der Befund erklärt, warum bei den kognitiven Aspekten, die von Dopamin beeinflusst werden, die Leistungsfähigkeit älterer Menschen heterogen ist im Vergleich zu jüngeren, bei denen der Unterschied hinsichtlich der Genotypen nicht messbar ist; mit anderen Worten: Es ist schlichtweg egal, in welcher der beiden Genvarianten Dopamin abbauende Enzyme hergestellt werden (Abb. 12).
Abbildung 12: Dopaminverfügbarkeit im Gehirn
Der Zusammenhang ist eindeutig: Je niedriger der Dopaminspiegel, desto niedriger die kognitive Leistung. Die Abbildung zeigt weiterhin, dass die Geschwindigkeit des Dopaminabbaus erst im Alter relevant wird. Der COMT-Genotyp steht für ein wichtiges Enzym des Dopaminstoffwechsels, welches in einer effektiven Form vorhanden sein kann (Met/Met) oder in einer weniger effektiven Form. Der Kurvenverlauf zeigt, dass der Stoffwechselunterschied erst in einem Alter jenseits des 70. Lebensjahres bedeutsam ist.
Schlägt somit im Alter ein genetischer Faktor durch, der in jungen Jahren zunächst kaum eine Rolle spielt? In der Tat, denn hier kommen zwei Effekte zusammen: Die im Gehirn verfügbare Dopaminmenge nimmt grundsätzlich im Laufe des Lebens ab (Abb. 12). Wer aufgrund seines COMT -Genotyps ohnehin zu einem verminderten Level des Botenstoffs neigt, dem bereitet dies eher Probleme – verstärkte kognitive Defizite können die Folge sein. Nicht die Wirkung des Gens selbst
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